Schröder macht im Westen auf Schönwetter im Osten

■ Harmonisches Treffen mit den ostdeutschen Regierungschefs. Knackpunkte ausgeklammert

Berlin (AP/taz) – „Chefsache“ soll der Aufbau Ost sein, und passend zur Aura der Macht hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Treffpunkt für sein Gespräch mit den Regierungschefs Ostdeutschlands ausgewählt: eine herrschaftliche Villa im schicken (West-)Berliner Stadtteil Dahlem. Allein: Das Gästehaus der Bundesregierung bot nur wenig Platz für die Erörterung großer Fragen. Wie gedenke der Kanzler seinen Wahlkampfslogan für Ostdeutschland einzulösen, wollten die Ringstorff, Stolpe, Höppner (alle SPD), Biedenkopf, Vogel und Diepgen (alle CDU) beim Gespräch im Foyer am Dienstag abend von Schröder wissen. Die Pressevertreter – aufgrund des knappen Raumes waren nur wenige ausgewählt – mußten bei winterlichen Temperaturen im Vorgarten warten.

Die Sechser-Phalanx hatte sich bereits letzte Woche bei einem Treffen in Schwerin formiert und einen Nachholbedarf beim Aufbau Ost ausgemacht. Bis zum vorgesehenen Ende des Solidarpakts im Jahr 2004 sei eine wirtschaftliche Angleichung mit dem Westen nicht zu erreichen, stellten die Länderchefs fest. Von starken Worten sei nach dem Treffen nichts mehr zu spüren gewesen, registrierten die Journalisten. „Lammfromm, richtig lieb“ zum Kanzler seien die Herren Ringstorff und Biedenkopf gewesen, die sich mit Schröder im Kaminzimmer der Presse stellten.

Die Ergebnisse des Gästehaus- Gesprächs: Schröder versprach, daß der Aufbau Ost, der auch über das Schicksal Gesamtdeutschlands entscheide, für ihn weiterhin Priorität habe. Um die Probleme dabei zu besprechen, wolle er sich künftig zwei- bis dreimal jährlich mit den Ost-Regierungschefs treffen. Weiterhin sagte der Kanzler zu, bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit den Osten besonders zu berücksichtigen und hinsichtlich des Solidarpakts über eine längerfristige Perspektive zu verhandeln.

Einige Knackpunkte kamen nicht zur Sprache, zum Beispiel die rot-grüne Steuerreform, bei der die Länderchefs Einnahmeverluste befürchten. Vor allem die geplante Ökosteuer könnte gerade im Osten Investoren abschrecken, weil dort der Braunkohlestrom teurer ist als im Westen, hatte Thüringens Ministerpräsident Vogel vor dem Treffen noch erklärt.

Schröder hingegen schien die aktuellen Fragen nicht für vorrangig zu halten. „Warum sollten wir darüber reden?“ fragte der Kanzler. Die Themen dieses Treffens seien zuvor verabredet und abgearbeitet worden, sagte er und entschwand bald darauf in die obere Etage, genauer: in den Feierabend. Nach einem langen Tag und vor der ersten Kabinettssitzung in Berlin gestern vormittag ist Schröder über Nacht in der Dahlemer Villa geblieben. Kerstin Willers