Grüner Parteitag berät Neuenquote

■ Eine Neuenquote soll die längst aufgeweichte Rotationsregelung ablösen und einen geordneten Generationswechsel ermöglichen. Doch eine Mehrheit dafür gilt als ungewiß

Eine Neuenquote soll für frischen Wind in der nächsten grünen Abgeordnetenhausfraktion sorgen. Da das Rotationsprinzip längst ausgehöhlt ist, soll Parlamentsneulingen mit einer Quote der Weg gebahnt werden. Doch die Neuregelung, über die am Samstag der Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen berät, stößt auf Widerstand. Ob die nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommt, gilt als unsicher.

An Schärfe gewinnt die Debatte auch vor dem Hintergrund der Parlamentsverkleinerung, die nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 1999 greift. Die Grünen könnten dann nur noch mit etwa 20 statt bislang 30 Parlamentssitzen rechnen, wenn man fiktiv das alte Wahlergebnis zugrunde legt. Der schon verstärkte Konkurrenzkampf um die Mandate würde durch die Neuenquote weiter verschärft. Falls ein Drittel der Plätze für Kandidaten reserviert wäre, „die noch nie einem Parlament angehört haben“, hätte die Hälfte der Fraktion keine Chance mehr, erneut aufgestellt zu werden. Einen Verzicht auf eine erneute Kandidatur hat bislang aber nur der Abgeordnete Anselm Lange erklärt.

Einen Nachteil befürchten vor allem die Abgeordneten, die dem Parlament erst vier Jahre angehören. Sie müßten mit den Altstars wie Wolfgang Wieland, Renate Künast oder Michaele Schreyer um die verbliebenen Plätze konkurrieren und befürchten, dabei den kürzeren zu ziehen.

Die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast spricht sich für die Neuenquote aus, plädiert aber für eine weichere Formulierung. Sie soll sicherstellen, daß auch ehemalige Abgeordnete oder auch Stadträte kandidieren können. Es liegen aber auch Anträge vor, wonach die Hälfte der Listenplätze Neulingen vorbehalten bliebe bzw. nur noch ein Drittel der Abgeordneten dem Parlament länger als acht Jahre angehören dürfte.

Der grüne Parteisprecher Andreas Schulze sieht die Neuenquote als Wegbereiter eines „geordneten Generationswechsels“. Der 32jährige Abgeordnete Anselm Lange kritisiert, daß in der Fraktion die Generation der 50jährigen das Sagen hat. Er spricht sich für ein ausgewogeneres Verhältnis der Altersgruppen aus.

Einige jüngere Grüne haben schon Interesse an einer Kandidatur erklärt, darunter Landesgeschäftsführer Michael Martens (39), Landesvorstandsmitglied Lisa Paus (29) und der Mitbegründer der Grünen Jugend, Jens Augner (27). Auch der Kreuzberger Bezirksverordnete Özcan Mutlu (30) gilt als Anwärter auf einen Listenplatz. Ohne Neuenquote sinken ihre Chancen allerdings.

Die Abgeordnete Sibyll Klotz befürchtet denn auch, „daß alles so bleibt, wie es ist“. Dann könnte für eine dritte Legislaturperiode nur kandidieren, wer von der Mitgliederversammlung ein Zweidrittelvotum erhält. Allerdings könnte diesmal mancher Altparlamentarier an dieser Hürde scheitern. Dorothee Winden