Kunstvoller Grenzübertritt

■ Am Checkpoint Charlie leuchten Bilder von zwei Soldaten. Auch an anderen Übergängen soll künstlerisch an die Teilung Berlins erinnert werden

Wo die Mauer früher ein unüberwindbares Hindernis war, gehen heute die Passanten achtlos vorüber. Selbst von den einstigen Grenzübergängen ist neun Jahre nach dem Mauerfall oft nichts mehr zu sehen. Der Checkpoint Charlie bildet die Ausnahme: Das alte Grenzhäuschen steht noch, ebenso das berühmte Schild in vier Sprachen: „Sie verlassen den amerikanischen/sowjetischen Sektor.“ Der Blick fällt seit kurzem auch noch auf etwas anderes: auf einen amerikanischen und einen sowjetischen Soldaten.

Der Berliner Künstler Frank Thiel hat auf der Kreuzung einen Leuchtkasten auf einer fünf Meter hohen Stahlstütze montiert mit Fotos der beiden blutjungen Soldaten. So wie sich vor 37 Jahren amerikanische und russische Panzer an dieser Stelle gegenüberstanden, blicken auch jetzt wieder die einst verfeindeten Mächte zum jeweils anderen Sektor hinüber. Abends, wenn die Straßenlaternen angehen, werden die Fotos beleuchtet. Nicht nur der Mauerbau, auch das Militär an sich, das so junge Männer verheize, werde damit in Frage gestellt, erläuterte Karin Nottmeyer, in der Bauverwaltung zuständig für Kunst im Stadtraum. 150.000 Mark hat das Land für den Leuchtkasten bezahlt. Er ist das Ergebnis eines künstlerischen Wettbewerbs des Senats. Alle sieben innerstädtischen Grenzübergänge sollen durch eine künstlerische Gestaltung an die Teilung der Stadt erinnern. An der Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain sind bereits zwei Lichtinstallationen des Künstlers Thorsten Goldberg zu sehen. Sie zeigen die Knobelzeichen Schere, Papier und Stein.

Als nächstes soll der Übergang Chausseestraße zwischen Mitte und Wedding folgen. Die Berliner Künstlerin Karla Sachse will dort Metall-Intarsien auf dem ehemaligen Grenzstreifen anbringen, die wie Kaninchen aussehen. Karnickel gab es auf dem Todesstreifen zahlreich. Nottmeyer hofft, daß die Installation noch in diesem Winter fertig wird.

Anfang 1999 wird dann der Grenzübergang Sonnenallee zwischen Neukölln und Treptow gestaltet. Dort sollen zwei Fernrohre – ähnlich wie bei Aussichtspunkten – angebracht werden. Auf der Linse ist das Wort „Übergang“ eingekratzt. Bislang erinnert in der Stadt an einigen Stellen eine Kopfsteinpflasterreihe an den einstigen Verlauf der Mauer. Diese Pflasterreihe soll sich bald durch ganz Berlin ziehen. An den Grenzübergängen finden sich teilweise Gedenktafeln, meist unauffällig plaziert. Die neuen Installationen könnten vorübereilende Passanten eher veranlassen, innezuhalten und sich des Ortes bewußt zu werden. Jutta Wagemann