Goethe zieht nicht nach Berlin

■ Das Goethe-Institut widersteht dem Trend zum Umzug. Die Zentrale bleibt in München

München (taz) – Die Zentrale des Goethe-Institutes wird aller Voraussicht nach nicht von München nach Berlin umziehen. Berthold Franke, designierter Sprecher der Institution, sagte gestern in München im Anschluß an eine Pressekonferenz mit dem neuen obersten Dienstherrn, Außenminister Joschka Fischer: „Ich gehe davon aus, daß der Plan heute beerdigt wird.“ Zwar tagte die entscheidende vierzigköpfige Mitgliederversammlung zu Redaktionsschluß noch, es lag aber bereits eine einstimmige Empfehlung des Präsidiums vor. Auch Fischer begrüßte den Plan, in München zu bleiben.

Der Außenminister war sichtlich entspannt und, wie er sagte, „froh, mal über etwas anderes reden zu können“. Statt Problemen bei der Nato oder im Kosovo präsentierte er seine Vorstellung von den Leitlinien einer auswärtigen Kulturpolitik. Weniger als seinem Vorgänger Klaus Kinkel ist dem Grünen an der Verbreitung der deutschen Sprache in aller Welt gelegen. Sprachvermittlung, sagte er, sei ihm „eine Selbstverständlichkeit“. Zusätzlich und mehr als bisher soll im Ausland eine „Freiheitskultur“ vermittelt werden.

Fischer wandte sich gegen einen „eurozentrischen Menschenrechtsimperialismus“, stellt sich dagegen ein „Geben und Nehmen“ vor, eine „dialogische Konfrontation“ mit anderen Kulturen. Langfristig sieht Fischer die Kulturförderung als friedensstiftende Maßnahme: „Diktaturen und Massenmorde entstehen in den Köpfen der Menschen.“ Seine neuen Untergebenen sehen das ähnlich: Der weißhaarige Goethe-Präsident Hilmar Hoffmann nickte fast unentwegt zu Fischers Ausführungen; als es um das Thema Berlin- Umzug ging, halfen sich beide bei der Vervollständigung ihrer Äußerungen. Berlin sei sehr attraktiv, begann Fischer, „das sollte Bayern ein Ansporn sein...“ „...Goethe das Bleiben zu versüßen“, führte Hoffmann weiter, und Fischer setzte folkloristisch-kryptisch noch eins drauf: „...zu verweißwursten. Bayern soll eine ordentliche Maß auf den Tisch stellen.“

Vierzig bis sechzig Millionen Mark würde ein Umzug nach Berlin kosten, Geld, das anderswo dringend gebraucht wird. Die Umzugspläne seien für das Präsidium vertagt, sagte Hoffmann: „Wiedervorlage in zehn Jahren.“ Dennoch plant der Präsident die Einrichtung eines „Kopfbüros“ in der Hauptstadt, schön billig, denn das dortige Goethe-Institut werde sowieso bald umziehen. Fischer stellte indes noch mal klar, daß sämtliche Goethe-Kompetenzen im Außenministerium verbleiben werden. Der Bundeskulturbeauftragte Naumann, mit dem Fischer eine „vertrauensvolle Kooperation“ plant, dürfe ihn auf europäischer Ebene durchaus mal vertreten – mehr aber auch nicht.

Mit ihrem neuen Chef sind die Goethe-Institutler sehr zufrieden. „Da geht es uns wie den Beamten im Auswärtigen Amt. Die sind auch alle ganz happy“, erzählt ein Mitarbeiter. Die Kohl-Regierung sei eine „schlimme Zeit“ für das Institut gewesen, man habe sich immer im Verdacht gefühlt, „nestbeschmutzerisch linksradikale Veranstaltungen mit pornographischem Einschlag“ zu fördern – soll heißen: Die Goethe-Dependancen in aller Welt mühten sich um ein wirklichkeitsnahes Deutschlandbild im Gegensatz zum Postkarten- und Blasmusikpanorama, wie es der alten Bundesregierung vorschwebte. Mit der Vergangenheitsbewältigung tut man sich indes noch etwas schwer: Das Gebäude der Zentralverwaltung liegt unübersehbar an der wenig repräsentativen Dachauer Straße, Nummer 122. Dort befindet sich jedoch nur der Besuchereingang – die Postadresse lautet verschämt Helene- Weber-Allee 1. Stefan Kuzmany