Analyse
: Riskante Putschgelüste

■ In den USA werden neue Pläne zum Sturz Saddam Husseins geschmiedet

Der Plan klingt einfach: Zwei- bis dreitausend in den USA ausgebildete Regimegegner werden in den Irak eingeschleust und errichten mit Deckung US-amerikanischer Kampfflugzeuge Stützpunkte. Von dort stoßen sie nach Bagdad vor, wo scharenweise irakische Soldaten zu ihnen überlaufen. Gemeinsam stürzen sie dann Saddam Hussein. Entworfen haben den Plan ehemalige US-Geheimdienstler und Militärs, viele von ihnen Golfkriegsveteranen. Amtierende US-Strategen halten das Vorhaben jedoch für Wahnsinn. Sollte es scheitern, wären Tausende Tote gewiß.

Bereits am 31. Oktober hatte Bill Clinton den „Iraq Liberation Act“ unterschrieben. 97 Millionen US-Dollar will der US-Präsident bis Ende des Jahres der irakischen Opposition zur Verfügung stellen. Doch welcher? Gut 70 verschiedene Gruppierungen haben sich den Sturz Saddam Husseins auf die Fahnen geschrieben. Die meisten von ihnen eint, daß sie zerstritten sind und im Irak keine Basis haben. Aussichtsreichste Aspiranten auf die US-Hilfe sind die Irakische Nationale Übereinkunft (INA), der Irakische Nationalkongreß (INC), die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und die Patriotische Union Kurdistans (PUK). INA ist ein Sammelbecken übergelaufener irakischer Militärs, Geheimdienstler und Funktionäre, die allesamt Blut an den Fingern haben und wenig Interesse an einer Demokratisierung des Landes. Dafür haben sie Chancen, im Führungszirkel um Saddam Hussein Verbündete zu finden, die dem Diktator die „Goldene Kugel“ verpassen könnten. Der INC wurde mit CIA- Hilfe als Dachorganisation der Opposition gegründet. Doch die meisten Fraktionen sind miteinander zerstritten. Die verfeindeten Kurdenparteien KDP und PUK haben auf Druck der USA im September Frieden geschlossen, doch niemand weiß, wie lange der hält. Hinzu kommen als relevante Gruppierungen ad-Dawa (Islamischer Ruf) und die Oberste Versammlung für die Islamische Revolution im Irak (SAIRI). Beide schiitischen Organisationen werden von Iran unterstützt, scheiden also als Empfänger der US-Hilfe aus, ebenso wohl auch die gut organisierte Kommunistische Partei Iraks.

Angesichts dieser Auswahl halten Militärexperten den Iraq Liberation Act weniger für einen Entwurf zum Sturz Saddam Husseins, denn für ein Symbol der Haltung der US- Regierung gegenüber dem Herrscher von Bagdad. Damit sollten Kritiker der Regierung im US-Kongreß ruhiggestellt werden, die lautstark den Sturz des Bösewichts Nummer eins fordern. Eine ernstzunehmende Planung dafür existiert in Washington über acht Jahre nach Iraks Überfall auf Kuwait nicht. Ein irakischer Oppositioneller bemerkte kürzlich nach einem Besuch in der US-Hauptstadt, er sei „schockiert“ über die Planlosigkeit dortiger Irakexperten. Thomas Dreger