Das Stielike-Syndrom

■ Die Bündnisgrünen suchen verzweifelt nach einer Parteiführung

Seit Jürgen Trittin in das Bundesumweltministerium wechselte, befinden sich die Grünen in der gleichen fatalen Lage wie die deutsche Nationalmannschaft nach dem Abgang von Berti Vogts. Viele Kandidaten werden für die Nachfolge gehandelt, doch die, die wollen, dürfen nicht, die, die sollen, können nicht, und die es können, kommen nicht in die Auswahl. Zuletzt wird jemand gefunden, von dem die Geschichte später sagen wird, die Sache sei auf ihn oder sie zugelaufen. Wie sie halt auf Uli Stielike zulief, den auszeichnete, daß er greifbar war und über genügend Selbstüberschätzung verfügte.

Es spricht für den DFB, daß er ihm Erich Ribbeck als Teamchef zur Seite stellte, um den Anschein der Erstklassigkeit zu wahren. Es spricht für die Grünen, daß sie mit Gunda Röstel einen Coach haben, der bereits in der Spitzengruppe arbeitet. Im Gegensatz zur DFB-Auswahl fangen die Grünen folglich nicht bei null an. Doch auch die Grüne Partei steht in gewisser Hinsicht vor einem Neuanfang. Während die Regierungsmitglieder und die Fraktion ihre Rolle gefunden haben, sonnt sich die Partei noch im Glanz des letzten Sieges, gerade so, als ließe sich die erfolgreiche Taktik wiederholen. Sie scheint zu verdrängen, daß sie knapp an einem Desaster vorbeigeschrammt ist. Kaum ein Wort mehr zum unkoordinierten Auftreten, zum programmatischen Fundamentalismus, die beinahe den Einzug ins Parlament gekostet hätten.

Daraus Konsequenzen ziehen, hieße, jetzt eine Strukturreform angehen, hieße, ein Grundsatzprogramm diskutieren, das die Partei in die Lage versetzt, nicht mehr nur mühselig nachzuvollziehen, was längst reale Politik der Grünen geworden ist. An diesen Aufgaben müße sich das neue Führungspersonal messen lassen. Doch woran wird es gemessen?

Mit Renate Künast hätten die Grünen einen Otto Rehhagel gehabt. Doch sie wollte nicht. Was blieb, war die Anforderung, daß es eine Frau sein muß. Nun meldet sich zögerlich eine Kandidatin, die kundtut, daß sie sich den Job zutraut. Womit zweifelsohne die Mindestvoraussetzung formuliert ist und sich, je länger das Spiel andauert, der Eindruck der 2. Wahl verfestigt. Zuletzt bleiben den Grünen nur zwei Hoffnungen: Entweder findet sich eine anerkannte Person, die ihr jetziges Amt aufgibt, oder sie trösten sich mit der Perspektive, daß die Partei auch so zu überragender Form findet. Dieter Rulff