Wenn Künstler zu viel reden ...

■ ... kommt bisweilen Stuß dabei heraus / Eine in Maßen polemische Betrachtung anläßlich zweier Kunst-events

Desirée Schmidt* möchte auch etwas sagen: „Das Thema Element hat was mit dem Menschen zu tun. Den Menschen bezeichnet man ja auch als Individuum. Und, äh, Individuum, das ist, äh, heißt, äh, das Unteilbare. Die Freimaurer sagen, daß der Mensch aus Erde gemacht ist und durch die Elemente Feuer und Wasser erst zum Menschen wird. Das will ich mit meiner Installation ausdrücken.“ Desirée Schmidt ist eine junge Künstlerin und genießt deshalb Nachsicht. Aber in einem ist sie schon ganz groß: Nämlich darin, ihre Kunst verbal einem Inhalt aufzuladen, der ihr nicht anzusehen ist. Ab heute hat sie viel Gelegenheit dazu.

Zwei sogenannte Kunst-events gehen an diesem und am folgenden Wochenende auf uns nieder: Eine StudentInnengruppe der Hochschule für Künste hat das früher besetzte und nun verfallene Haus an der Grünenstraße 19 in der Bremer Neustadt mit Installationen, Objekten und Bildern ausgestattet und zeigt sie sowie Performances in einem 24-Stunden-Projekt namens „Elemente“ von heute morgen um 11 Uhr bis Sonntag morgen um 11 Uhr.

Unabhängig davon sind auch die AusstellungsmacherInnen im unmittelbar benachbarten Künstlerhaus am Deich auf den gleichen Trichter gekommen: Als zweiter Teil des Kunst-Dienstleistungs-Projekts „K.Ö.N.I.G.“ öffnet die Galerie von Sonntag, 12 Uhr, bis Montag, 12 Uhr sowie noch einmal zur gleichen Uhrzeit vom 6. auf den 7. Dezember 24 Stunden durchgehend. Und in beiden Fällen ist die Idee nicht mal schlecht.

„Die Studenten sollten sich mit einem anderen Raum als einer weiß getünchten, leeren und beheizten Galerie auseinandersetzen“, sagt der Kunsthochschullehrer Olivier Roy, der das Projekt an der Grünenstraße betreut. Die für eine symbolische Mark gemietete Ruine ist tatsächlich eine Herausforderung: Pfützen und Moosurwälder auf den Böden und ungezählte Graffiti an den Wänden laden das Haus optisch derart auf, daß es schwer ist, dem künstlerisch etwas entgegenzusetzen. Die neun StudentInnen wagen es trotzdem. Ein Raum ist mit Glaswolle ausgelegt und an einer Wand mit Alustreifen versehen, ein anderer ist mit Portraitbildern und spärlichem Kerzenlicht fast Kabakov-haft hergerichtet, und in einem dritten stehen aus Baustahl gefertigte Phantasiemonster herum. Manches davon hinterläßt Eindruck, vieles nicht. Immerhin wird Glühwein angeboten. Und immerhin ist das Projekt als Etüde konzipiert und auch so zu verstehen.

Viel ernster nehmen sich da schon Anne Schlöpke und Ute Ihlenfeld, die im Künstlerhaus am Deich für das „K.Ö.N.I.G.“-Projekt verantwortlich sind. Sie sprechen von der Kunst als Service, betonen die Eigenschaft von Kunst, Ausgleich gegen Streß und psychischen Druck zu bieten, und denken öffentlich darüber nach, wo bei der Kunst die Arbeit anfängt und der Spaß aufhört. Zum Thema hat der Künstlerhaus-Künstler Manfred Kirschner sich selbst und elf KollegInnen aus Bremen und Hamburg eingeladen, die zehn in der Galerie installierten Miniräume zu gestalten. „Sie alle setzen sich mit ihrer Rolle als Künstler auseinander“, sagt er und weckt damit hohe Erwartungen. Doch wenn man sich ansieht, was den meisten der zwölf KünstlerInnen eingefallen ist, werden sie enttäuscht.

Da steht in einem Raum ein spielbereites Schlagzeug herum und gemahnt alle Workaholics an längst nicht mehr ausgeübte Hobbies. Barbara Wagner hat mit viel Tesa-Band und Atelier-Abfall einen Beuys-Raum hergerichtet. Und Claudia Medeiros Cardoso und Veronika Schumacher reflektieren mit vergrößerten Händen aus Comic-heften über Kunst und Arbeit. Diese und weitere Beiträge haben durchaus ihren ästhetischen Reiz. Aber gemessen an der Aufgabenstellung reicht das Niveau der Konzepte über einen Gag oder eine (manchmal erst durch Erklärungen begreifbare) Grundidee nicht hinaus. Selbst viel gescholtene PolitikerInnen haben zu diesem Thema mehr zu sagen als diese KünstlerInnen. Christoph Köster

* Name geändert

„Elemente“, Samstag bis Sonntag von 11 bis 11 Uhr, Grünenstraße 19; „K.Ö.N.I.G Nr. 2“, Sonntag bis Montag von 12 bis 12 Uhr, Künstlerhaus, Am Deich 68