Verliebte in den Puff geprügelt?

■ Amtsgericht untersucht Fall im Milieu / Frau soll mit Gewalt zur Prostitution gezwungen worden sein / Angeklagter dementiert

Sichtlich nervös und angespannt sitzt Carousel F. vor Amtsrichter Klaus Richter. Mit leiser Stimme berichtet sie, warum sie ihren Bekannten Andy M. angezeigt hat. Für angebliche Mißhandlungen, für Schmerzen, für Demütigungen, die ihn bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre hinter Gitter bringen könnten. Ort dieses Geschehens: die Helenenstraße, bekannt als Bremens Bordellmeile.

Konkret ist Andy M. wegen Menschenhandels nach Paragraph 181 Strafgesetzbuch angezeigt. Er soll die damals 19jährige Nebenklägerin zur Prostitution überredet haben. Von ihrem Verdienst von mehr als 40.000 Mark in drei Monaten von Oktober bis Dezember 1996 will sie nur 600 Mark gesehen haben. Der Rest landete beim Angeklagten, so ihr Vorwurf. Wie das geschehen konnte? Ein kompliziertes Geflecht aus Gefühlen und Gewalt, so Carousel F.

Nach ihrer Erzählung lernt sie den damals 24jährigen M. in Hamburg kennen. Man flirtet miteinander, kurze Zeit später besucht sie ihn auch „auf der Arbeit“. Andy M. ist „Wirtschafter“ in Hamburgs und Bremens Bordellszene. Quasi ein „Hausmeister“ und Beschützer, der zu Hilfe eilt, wenn ein Freier Ärger macht. Der aber auch Kaffee kocht und die Zimmer in Ordnung hält. Zudem kassiert er die Miete für die Zimmer – 120 Mark am Tag, wie er sagt. Und irgendwann kassiert er dann auch von Carousel F. Sie läßt sich in besagtem Oktober bei ihrem Arbeitgeber Pizza-Hut für eine Woche krankschreiben. Und zieht in die Bremer Helenenstraße.

Doch warum liefert die junge Frau ihr gesamtes Geld bei ihrem Wirtschafter ab und nicht nur jene Miete? Warum läßt sie sich überhaupt erst als Prostituierte anwerben? Der versprochene Verdienst, sagt sie, die als Verkäuferin bei Pizza-Hut wesentlich weniger verdient, als ihr angeblich von M. versprochen wird. Und: Sie hat ihn geliebt. Darum sei sie immer wieder zu Andy M. zurückgekehrt. Ein weiterer Grund: Er bringt sie um, wenn sie nicht pariert, erzählt sie. Dreimal mindestens soll Andy M. handgreiflich geworden sein. Immer wieder setzte es Ohrfeigen, sagt sie. Im Dezember 1996 soll er sie mitten auf dem Hamburger Gänsemarkt gewürgt und versucht haben, ihr zwei Finger in die Augenhöhlen zu stoßen. Und am 30. Dezember 1996 „habe ich Angst um mein Leben“ gehabt, berichtet die junge Frau: In seiner Hamburger Wohnung legt Andy M. seine bloßen Hände um ihren Hals und drückt zu. Danach soll er ihr ein Brotmesser an den Hals gehalten haben.

Mit Fotos dokumentiert sind vom Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg-Wandsbeck Kratzwunden und dicke blaue Flecken am Hals. Von wem sie stammen? Andy M. sagt, auf keinen Fall von ihm. Er will Carousel F. nie gewaltätig angerührt haben. Sie habe aus freiem Willen angefangen, als Prostituierte zu arbeiten.

Und die Sache mit dem Geld? Sein Einkommen stamme aus dem „Tip“, dem Trinkgeld der Frauen. Obendrein habe er sogar vorab eine Wohnungseinrichtung für Carousel F. finanziert. „Ich bin eben ein sehr hilfsbereiter Mensch“, sagt er. Und, daß die blauen Flecken gar nicht von ihm stammen können. „Wenn ich zuschlage, sind die größer“, beteuert er stolz und verweist auf sein Kampfsporttraining. Warum dann aber die Anzeige? Er glaubt an einen Streit mit ihrem Ex-Freund aus Iran, der spitzgekriegt hatte, daß sie als Prostituierte arbeitet. „Und warum dann die Anzeige gegen sie?“ fragt die Anwältin von Carousel F. „Weil sie glaubt, daß ich sie verraten habe. Das stimmt aber gar nicht“, beteuert Andy M.

Jens Tittmann

Der Prozeß wird fortgesetzt.