Heiße Physik-Professorin fallengelassen

■ Leitung der Bremer Universität distanziert sich von der Atomexpertin Inge Schmitz-Feuerhake

Die Bremer Universität hat die umstrittene Physikerin Inge Schmitz–Feuerhake fallengelassen. „Die Interpretationen von Schmitz-Feuerhake sind fahrlässig und falsch“, sagte Uni-Pressesprecher Uwe Gundrum in Absprache mit Universitäts-Präsident Jürgen Timm. „Wir in der Uni können damit nicht leben.“ Schmitz–Feuerhake hatte im Auftrag der „Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch“ ein Gutachten verfaßt, das in den letzten Tagen bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. In dem Gutachten stellt die Wissenschaftlerin nach Staubanalysen fest, daß die Region um das Atomkraftwerk Krümmel „eindeutig“ mit Reaktorplutonium verseucht sei.

Grundlage für den Sinneswandel in der Uni-Leitung – gestern noch wurde die Kontroverse von einem Uni-Sprecher als Streit zwischen Wissenschaftlern abgetan – ist ein Brief des Uni-Mitarbeiters Gerald Kirchner. Der Leiter der Strahlenmeßstelle hatte in Schmitz-Feuerhakes Auftrag einen Teil der Staubanalysen gemessen. In seinem Brief an Schmitz-Feuerhake begründet Kirchner in vier Punkten, warum er das gemessene Plutonium nicht für Reaktorplutonium, sondern für Fallout aus überirdischen Atomtests der 60er Jahre hält. Am Ende der zweiseitigen Ausführung appelliert Kirchner an seine Kollegin, ihr Papier zurückzuziehen, um „allen Beteiligten die Möglichkeit zu einer kritischen Analyse und gründlicheren Auswertung zu eröffnen“.

„Diese Aussage können sie als Stellungnahme der Uni werten“, sagt Pressesprecher Gundrum. Das Gutachten werde mit der Forschungsqualität der Bremer Universität in Verbindung gebracht, was einen „ganz massiven Imageschaden“ verursachen könnte. Aus diesem Grund müsse man sich von den Forschungsergebnissen distanzieren. Am Montag will der Uni-Präsident in einer Stellungnahme diese Haltung näher begründen.

Wie die Kontroverse jetzt weiter behandelt wird, ist noch offen. Zuerst werde die Uni-Leitung noch einmal das Gespräch mit der Wissenschaftlerin suchen. Der schleswig-holsteinische Energiestaatssekretär Wilfried Voigt (Grüne) will Schmitz-Feuerhake aus einer Expertenkommission herauswerfen, die die Häufung der Leukämiefälle bei Kindern in der Region des AKW Krümmel untersucht – falls sich die Zweifel erhärten. Eine Arbeitsgruppe aus TÜV, Öko-Institut und dem Bremer „Physikerbüro“ wurde zudem von der Landesregierung gebeten, eine Prüfung der Messungen vorzubereiten.

Die Universität könnte nun auch auf Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zurückgreifen. Die DFG hatte im letzten Dezember 16 Empfehlungen „zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ unterbreitet (im Internet: www.dfg.de). Ihr Vorschlag: In Streitfällen müsse in einer uniinternen Kommission der Rat externer Wissenschaftler hinzugezogen werden. Allerdings fordert die DFG „bis zum Nachweis eines schuldhaften Fehlverhaltens“ strenge Vertraulichkeit des Konflikts. Christoph Dowe