Elektronischer rocken

■ City Slang und Kitty-Yo laden in den „Ballroom International“

Wenn alles vorbei ist, der letzte Ton des „Ballroom International“ verklungen ist, wird man vielleicht nicht erfahren haben, was die ganz persönlichen Lieblingsmusiken der Herausgeber von Wire sind oder wie sich Sebadoh rückwärts anhören. Aber zwei Tage, drei Bühnen und zwanzig Auftritte später wird wohl für immer festgemeißelt sein, daß Gitarren und Elektronik sich eigentlich gut miteinander vertragen.

Und wer könnte ein historisches Ereignis wie dieses in der Volksbühne besser zusammenstellen als City Slang und Kitty-Yo? Erstere Plattenfirma hat in den letzten Jahren ihr klassischerweise rocklastiges Programm erfolgreich um seine eigenen Dekonstruktivisten (z.B. Tortoise und Trans Am), aber auch um rein elektronische Musik wie To Rococo Rot erweitert. Letztere forschten in den wenigen Jahren ihres Bestehens nahezu ausschließlich an der bewußten Schnittstelle. Ebendort beginnt auch die Stiftungslegende von Kitty-Yo. Der Label-Name stammt aus einem frühen Song der amerikanischen Hardcoreband Girls Against Boys. Raik Hölzel, einem von zwei noch vorhandenen Kitty-Yo-Gründern, gefielen zu der Zeit Band, Song und der Klang des Wortes. Die potentiell schwer symbolträchtige Tatsache allerdings, daß Girls Against Boys für damalige Verhältnisse sensationellerweise einen Sampler einsetzten, spielte bei der Namenswahl keine Rolle. Erst kürzlich ist Hölzel aufgefallen, wie gut der Name inhaltlich schon immer paßte.

Auch wenn Mogwai, die eine Woche früher ins Studio mußten, und Sebadoh, die als Los Hodabes auftreten sollten, nicht kommen können, treffen auf den drei Bühnen in der Volksbühne immer noch Bombastrockbands wie Couch auf den Gitarrendiskurs von Kante, und die wiederum auf rein elektronische Projekte wie Ronnie & Clyde aus London und DJs wie den Düsseldorfer Phoneheads mit seinem Drum&Bass oder Rob Young und Anne-Hilde Neset vom einflußreichen englischen Magazin Wire. Die beiden Journalisten fragten allerdings beim Veranstalter nach, was sie denn überhaupt auflegen sollten, bekamen aber keine Vorgabe.

Was bei Girls Against Boys noch wagemutige Überwindung eines scheinbar festgeschriebenen Antagonismus war, ist längst friedliche Koexistenz geworden. Für Silo aus Kopenhagen, aber auch Berliner Kitty-Yo-Bands wie Tarwater und Laub sind Sampler nicht mehr exotische Dreingabe, stehen aber auch nicht als definierende Vorgabe im Zentrum der Musik, sondern dienen ohne ideologische Vorgaben längst als Instrument unter anderen der Umsetzung musikalischer Vorstellungen.

Kitty-Yo und City Slang dient die leicht gigantomanische Veranstaltung, „bei der wir bei realistischer Kalkulation wohl wieder draufzahlen müßten“, so Hölzel, natürlich auch zu Werbezwecken. „Das kommt uns zugute“, sagt Hölzel und meint auch Verbindungen zu anderen Labels. Die Beziehungen machen eine solche Veranstaltung erst möglich, und das Wochenende vertieft wiederum die Kontakte. Man kann das Klüngel, man kann es fruchtbaren Austausch nennen. Vor allem „nimmt es eine Menge Arbeit ab“. Wenn Kitty-Yo Bands nach England schicken, kann das Label dabei auf Know-how und Infrastruktur der Londoner Kollegen von Too Pure zurückgreifen – und umgekehrt. Gleiches passiert mit anderen Partnern in anderen Ländern. Für Frankreich bahnt sich gerade eine Zusammenarbeit mit Prohibited an, wo die Labelmacher am Samstag höchstselbst als Prohibition zur Klampfe greifen werden. Thomas Winkler

Sa. und So. ab 20 Uhr in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte