Kosmische Energien für Kanzler und Abgeordnete?

■ Feng-Shui-Experten meinen, bei Regierungsgebäuden stand fernöstliche Baukunst Pate

Weihnachtszeit ist Geschäftszeit. Auch in der Berliner Friedrichstraße sind die Schaufenster auf Adventsstimmung getrimmt. Doch der Ansturm der Kunden hält sich in Grenzen. Kein Wunder, findet die Architektin und Feng-Shui-Expertin Karin Bunk. Es sei die „natürliche Balance zwischen Mensch und Raum“, die der Friedrichstraße fehle. Im Gegensatz zu einem ausgeglichenen Energiefluß verfüge etwa das Quartier 206 der amerikanischen Architekten Pei, Cobb, Freed mit seinen Ecken und Kanten über „Cha Qi“, zuviel an Energie. Und ohne gute Energie gibt es auch keine guten Geschäfte.

Allen negativen Energien in der Friedrichstraße zum Trotz hat die fernöstliche Lehre von Wind und Wasser auch in der Bundeshauptstadt Einzug gehalten. Ärzte ziehen Feng-Shui-Berater bei der Einrichtung ihrer Praxen hinzu, kinderlose Paare hoffen mit Hilfe von Bergkristallen, Windspielen und Springbrunnen auf den ersehnten Nachwuchs, und so mancher arme Schlucker mußte von Bekannten erfahren, daß die Wohlstandsecke seiner Wohnung lange Zeit sträflich vernachlässigt wurde. Wie aber steht es außerhalb der eigenen vier Wände? Während in Hongkong, wie es ein Sprecher der Bundesbaudirektion formuliert, die Konsultation eines Feng- Shui-Meisters „so heilig ist wie hierzulande die Bundesbauordnung“, trifft Feng Shui bei vielen Investoren und Bauherren in Berlin, trotz günstiger Windverhältnisse und Wasservorräte, noch immer auf Vorbehalte.

Vor allem die Daimler-City am Potsdamer Platz gilt vielen Feng- Shui-Fans als einzige Katastrophe. So amüsiert sich Karin Bunk etwa darüber, daß ausgerechnet in der „Geldecke“ des Debis-Hochhauses ein Abluftturm in den Himmel rage. „Da wird ja mein ganzes Geld gleich wieder durch den Schornstein abgezogen.“

Ob beim Investorennachbarn Sony Feng Shui eingezogen ist, will Sony-Sprecherin Karin Püttmann nicht bestätigen, glaubt aber, „daß sich ein chinesicher Drache im überdachten Sony-Forum wohlfühlen würde“. Doch habe Feng Shui bei der Planung des Architekten Helmut Jahn keine Rolle gespielt. Für Karin Bunk freilich ist das nichts anderes als eine Schutzbehauptung. „Es gibt eine stillschweigende Vereinbarung von Investoren und Architekten, das zu dementieren“, sagt Bunk, die sehr wohl daran glaubt, daß Jahn einen Feng-Shui-Berater zur Seite hatte. Um die Mauer des fernöstlichen Schweigens zu brechen, betätigt sich Bunk deshalb auch als Feng-Shui-Outerin.

Vor allem beim Umbau des Reichstags, ist sie sich sicher, sei nach Feng Shui verfahren worden. „Schauen Sie sich doch die Spirale um die Kuppel an“, sagt Bunk, „und wie das Licht ins Gebäudeinnere fällt.“ Zwar dementiert der Architekt Sir Norman Foster, der in Hongkong mit der Bank of Hongkong Feng-Shui-Erfahrung gesammelt hat, nach wie vor, diese auch in Berlin angewandt zu haben. „Doch Fosters Frau“, sagt Bunk, „ist in London sogar als Feng-Shui-Beraterin tätig.“ Auch beim derzeit im Bau befindlichen Bundeskanzleramt sieht Bunk fernöstliche Baukunst am Werke und verweist auf die „langwierige Beschäftigung des Architekten Axel Schultes mit der Mystik“.

Doch nicht nur Bauherren und Architekten üben sich in Feng- Shui-Dementis, sondern auch die Bundesbaudirektion. „Noch“, witzelt deren Sprecherin Lehmhöfer, „sind wir nicht soweit. Zwar haben wir im Reichstag einen Andachtsraum, doch der entspringt einer anderen religiösen Tradition.“

In der Berliner Friedrichstraße, die Bunk am liebsten für den Verkehr sperren und begrünen möchte, herrscht unterdes noch immer Novembertristesse. Vielleicht hat das ja auch weniger mit negativen Energien als mit der Investorenvorstellung von Urbanität zu tun. Oder der Kaufkraft jener Berliner, die in ihrer Wohlstandsecke zu Hause noch immer keinen Springbrunnen aufgestellt haben. Uwe Rada