Strategien gegen Frauenhandel

Europäische Konferenz zur Bekämpfung von Frauenhandel: Schutz bieten Wertabschöpfung und Aufenthaltsrecht. BKA: Umsatz im Frauenhandel 120 Milliarden Mark  ■ Von Julia Naumann

Der wirksamste Schutz für Opfer von Frauenhandel ist, daß diese nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Das ist das Fazit einer zweitägigen europäischen Konferenz zur Verhinderung und wirkungsvollen Bekämpfung des Frauenhandels, die diese Woche in Berlin stattfand.

Frauenhandel, also Zwangsprostitution, andere ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und Heiratshandel, nehme in den westeuropäischen Ländern immer mehr zu, so Helga Korthaase (SPD), Staatssekretärin für Frauenpolitik in Berlin. Doch die Zahlen sind aufgrund der hohen Dunkelziffer äußerst ungenau. 1997 waren der Berliner Polizei lediglich 93 Opfer bekannt. Expertinnen sprechen von einer Dunkelziffer eins zu neun.

So sind Frauen aus Südostasien fast gar nicht mehr in der offiziellen Statistik verzeichnet. Denn bei Razzien würden nur Frauen ohne festen Aufenthalt registriert, sagte Nivedita Prasad, Mitarbeiterin bei der Berliner Beratungsstelle „Ban Ying“. Viele der südostasiatischen Prostituierten seien mittlerweile mit deutschen Männern verheiratet. „Die Opfer werden dadurch statistisch unsichtbar“, bemängelte Prasad. Entgegen der gängigen Meinung gehörten viele der Frauen aus Südostasien nicht zu den wirtschaftlich am schlechtesten gestellten Frauen. Prasad: „Die meisten Frauen hatten Jobs, die sie aufgegeben haben, um zu emigrieren.“

Die in der offiziellen Statistik erfaßten Opfer stammen hauptsächlich aus mittel- und osteuropäischen Staaten, etwa Polen, Rußland und Litauen. „Vor drei Jahren hatten diese Frauen meistens noch eine gute Ausbildung, jetzt sind sie wesentlich jünger und schlecht ausgebildet“, sagte Uta Ludwig von der Beratungsstelle „Belladonna“ in Frankfurt (Oder). „80 Prozent der betroffenen Frauen wissen, daß sie im Ausland als Prostituierte arbeiten werden“, hat Hanka Mongard von der holländischen Hilfsorganisation „Tampep“ erfahren. Jedoch sei ihnen nicht bekannt, daß sie keinen Aufenthaltsstatus bekommen und zur Arbeit gezwungen werden. Die Menschenhändler erhielten von den Frauen, die sie nach Deutschland bringen, bis zu 20.000 Mark, Schleuser an den Grenzen zwischen 300 und 1.500 Mark. Zuhälter und Bordellinhaber handeln sie zwischen 3.000 und 20.000 Mark. Das Geld müßten die Frauen in der Regel „abarbeiten“. Das Bundeskriminalamt schätzt den Umsatz im Frauenhandel in Deutschland auf 120 Milliarden Mark pro Jahr.

Zwei Strategien zur wirkungsvollen Bekämpfung des Frauenhandels wurden auf der Tagung favorisiert. So werden in Baden- Württemberg bereits illegale Gewinne von Frauenhändlern abgeschöpft. Durch Pfändung und Sicherstellung von Konten werden pro verurteilten Menschenhändler durchschnittlich 350.000 bis 500.000 Mark abkassiert, so Johann Podolsky vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Wem das Geld jedoch zugute kommt – der Staatskasse oder möglicherweise den betroffenen Frauen – ist nicht geregelt. Wichtigster Schutz für die Frauen, so die Expertinnen, ist, daß sie nicht mehr abgeschoben werden. Als Vorbild dient dabei Belgien, wo Opfer von Menschenhandel 45 Tage in Belgien bleiben können, um sich zu überlegen, ob sie gegen die Täter aussagen wollen. Diese Frist kann auch verlängert werden. Wenn das Opfer erfolgreich als Zeugin ausgesagt hat, darf sie dauerhaft in Belgien leben.

In Deutschland sind Regelungen von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich: Lediglich zwischen drei Tage und vier Wochen bekommen die Frauen Bedenkzeit, ob sie aussagen wollen oder nicht. Langfristige Duldungen gibt es nur selten. Nach den Koalitionsvereinbarungen der rot- grünen Regierung soll das jetzt geändert werden: Abschiebungen von Opfern sollen bei Prozessen „gegebenenfalls bis zum Abschluß des Gerichtsverfahrens“ ausgesetzt werden. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bedeutet das aber nicht.