Nur über meine Leitung

Das Kartell der Netzbesitzer untergräbt die Öffnung des Strommarktes: Mit absurden Leitungsgebühren blockieren sie ihre umweltfreundliche Konkurrenz  ■ Von Bernward Janzing

Freiburg (taz) – Es hätte alles so einfach sein können, doch die Kohl-Regierung wollte es nicht: Bei der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, mit der Bonn auf die EU-weite Öffnung der Energiemärkte umsetzte, blieben wesentliche Punkte ungeklärt. Jetzt zeigen sich die – gewollten – Konsequenzen. Weil die Durchleitung von Strom im Netz der Monopolisten nicht geregelt ist, können diese agieren, wie es ihnen beliebt. Von wegen freier Markt.

Bislang hatten die Energiekonzerne Gebietsmonopole. In jeder Region durfte nur einer seinen Strom verkaufen, entsprechend gibt es jeweils nur ein Stromnetz. Nun darf zwar jeder seinen Strom kaufen, wo er will, der muß aber immer durchs Netz des Ex-Monopolisten kommen. Wie die Telekom beim Telefonieren versuchen auch die Stromversorger diesen Vorteil zu nutzen, um sich lästige Konkurrenz vom Leibe zu halten.

Inzwischen haben in allen Teilen der Republik Firmen und Privatleute Anträge auf Stromdurchleitung gestellt. Stets blockieren die Versorger dieses Ansinnen mit überhöhten Tarifen. Weil es – anders als beim Telefonmarkt – keine Regulierungsbehörde gibt, können sie ihre Marktmacht ausspielen.

Prominenteste Antragstellerin ist Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Sie will ihre Wohnung in Bonn nicht mehr von den Stadtwerken versorgen lassen, sondern von einem Windpark in der Eifel. Bei einem Strompreis von 18 Pfennig je Kilowattstunde zuzüglich zwei Pfennig für den Stromhändler und vier Pfennig für den Netzbetreiber (also die Stadtwerke Bonn), könnte Hustedt den Ökostrom zum gleichen Preis beziehen wie bisher den Mixstrom von den Stadtwerken. Diese Kalkulation beruht auf Durchleitungsgebühren, wie sie in Schweden oder Dänemark üblich sind. Doch die Stadtwerke verlangen 18 Pfennig je Kilowattstunde allein für die Durchleitung.

Die Energieversorgung Weser Ems in Oldenburg hat laut Greenpeace für die Durchleitung von Überschußstrom eines Blockheizkraftwerkes über eine Distanz von nur drei Kilometern eine Gebühr von 19,5 Pfennig je Kilowattstunde verhängt. Andere Stromversorger, wie auch die Konzerne RWE, Viag und Veba, agieren hinhaltend, haben noch nicht einmal Tarife genannt. Nur 3 der 700 Netzbetreiber haben bislang Gebühren vorgelegt, klagt Greenpeace in seiner Bilanz nach einem halben Jahr Liberaliserung, Anträge blieben monatelang unbeantwortet. Der Umweltverband zieht eine „vernichtende Bilanz“: Die Energiewirtschaft habe sich „vom Monopol zum Kartell“ entwickelt. Zwar haben SPD und Grüne vereinbart, die fehlende Netzzugangsverordnung nachzureichen. Doch das kann dauern.

Solange bleibt nicht nur der Markt auf der Strecke, auch die Erneuerbaren Energien werden ausgebremst. Zwar gibt es einige Stromversorger, die ihren Kunden Strom aus umweltfreundlichen Energien anbieten. Weil aber die Monopolisten diesen nicht zu vernünftigen Tarifen in ihre Netze lassen, müssen sich die Öko-Strom- Anbieter mit Tricks behelfen. Die „Stromrebellen“ in Schönau zum Beispiel, die bundesweit Öko- Strom vermarkten (Projekttitel: „Watt-Ihr-Volt“), erheben einen Aufschlag von acht Pfennig je Kilowattstunde von ihren Kunden. Mit dem Geld werden in Schönau umweltfreundliche Anlagen errichtet. Den Strom für seinen Haushalt bezieht der Kunde aber nach wie vor von seinem alten Energieversorger.

Ähnlich müssen auch andere vorgehen. Wer bei der Düsseldorfer Naturstrom AG Strom bestellt, bekommt ihn trotzdem weiterhin von seinem bisherigen Versorger. Der schickt lediglich die Rechnung an die Naturstrom AG, die sie bezahlt, und mit Öko-Aufschlag dem Stromkunden weiterreicht. Die Mehreinnahmen investiert das Unternehmen in die Öko-Strom-Erzeugung. Und die NaturEnergie AG vom Hochrhein als weiterer Anbieter hat auch nur die bisherigen Versorger mit dem Inkasso eines Öko-Aufschlages beauftragt. Sie leiten das Geld an die NaturEnergie weiter, die es in den Bau von Solarkraftwerken investiert.

Auf diese Weise hat zwar jeder die Möglichkeit, die regenerativen Energien nach Belieben zu unterstützen. Doch vielen Kunden reicht das nicht. Ihnen geht es darum, tatsächlich den Strom von einer Öko-Firma zu erhalten, um die Geschäftsbeziehungen zum bisherigen Stromversorger beenden zu können. Dies entspricht auch dem Gedanken des freien Strommarktes. Das kann bislang kein Unternehmen bieten.

35.000 Stromkunden haben Greenpeace bereits eine Absichtserklärung zukommen lassen, daß sie ihren Stromversorger schnellstmöglich wechseln und sauberen Strom beziehen wollen. Doch sie müssen noch auf den Gesetzgeber warten. Durch die derzeitige Rechtsunsicherheit werden, so Greenpeace, alle diese Kunden bislang „am persönlichen Atomausstieg gehindert“.