Analyse
: Atempause für Japan

■ Das hochverschuldete Land wird die Rezession nicht beenden können

Im Jahre 1999 wird die japanische Rezession gestoppt, ein Jahr drauf geht es aufwärts. Mit diesem Versprechen ermutigte gestern Premier Keizo Obuchi seine Landsleute in einer Grundsatzrede zur Lage der Nation und verknüpfte das Überleben seines Kabinetts mit dem Versprechen. So richtig will es niemand glauben. Mißtrauisch gebärdete sich die Tokioter Börse: Der Aktienindex schloß mit einem Minus nur knapp über der Zittermarke von 15.000 Punkten. Eigentlich ist für Optimisten die Zeit nicht mal so schlecht. Die Regierung hat in den vergangenen Monaten viel zur Stimulierung der krisengeschüttelten Wirtschaft in Gang gesetzt. Richtig geklotzt wurde mit einem Konjunkturpaket über 300 Milliarden Mark, das der Wirtschaft einen Kick versetzen soll.

Frohe Botschaften kommen auch aus dem Bankensektor. Japans Geldinstitute haben sich nach langem Zögern endlich durchgerungen, ein Angebot der Regierung anzunehmen, und werden schon 1998 über 80 Milliarden Mark als Stärkung beantragen. Für die kommenden Jahre steht der zehnfache Betrag für den maroden Finanzsektor bereit. Ein Systemkollaps ist also ausgeschlossen. Das sind aber auch alle Frohbotschaften aus dem Land der aufgehenden Sonne. Dunkle Wolken ziehen sich woanders zusammen. Die öffentliche Hand wird dieses Jahr rezessionsbedingt mit einem Steuerausfall von 140 Milliarden Mark belastet. Zusammen mit den Mehrausgaben für das Konjunkturpaket wird das ein Defizit von 10 Prozent des Bruttosozialproduktes verursachen. Damit wird Japan zum höchstverschuldeten Land der G-7-Staaten.

Die zusätzliche Verschuldung mag in Anbetracht der prekären Situation der Volkswirtschaft sozial zu verantworten sein. Doch wird wieder eine ausgewählte Klientel der regierenden Liberaldemokraten allein vom staatlichen Segen profitieren. Es sind bankrotte Baukonzerne wie Aoki, der Banken gerade 2,2 Milliarden Mark Schulden erlassen haben. Das Geld holen sich die Banken selbstverständlich beim Staat zurück. Derweil leiden kleine und mittlere Unternehmen weiter unter der Kreditverengung.

Das sind deshalb beunruhigende Signale, weil die beiden Architekten des jüngsten Wirtschaftsprogramms an einen Rückzug denken. Finanzminister Kiichi Miyazawa und Regierungssprecher Hiromu Nonaka wollen spätestens Ende Dezember das Amt niederlegen. Dann soll eine Koalition der Liberaldemokraten und der konservativen Liberalen Partei das Ruder übernehmen. Pikant ist die Tatsache, daß die Liberalen genauso abhängig von Wahlspenden aus der Bauindustrie sind wie die Regierungspartei. Tiefgreifende Strukturreformen sind definitiv vertagt. Deshalb wird die Konjunkturerholung von sehr kurzer Dauer sein und nur eine Atempause darstellen. André Kunz,Tokio