Grün gegen Roth

GAL-Parteitag rügt SPD-Senatorin wegen falscher Sozialpolitik und fordert ultimativ, Mietenrichtlinie zurückzunehmen  ■ Von Sven-Michael Veit

Der Ton wird schärfer in der rot-grünen Hamburger Koalition. Die Mitgliederversammlung der GAL rügte am Sonnabend Sozialsenatorin Karin Roth (SPD): Sie betreibe eine Sozialpolitik, die „Verunsicherung und ein Gefühl der Bedrohung bei den sozial Schwächsten“ erzeuge. Zum ersten Mal wird damit ein Senatsmitglied in der SPD-GAL-Regierung öffentlich vom Koalitionspartner angegriffen.

Einstimmig beschlossen die rund 180 GALierInnen auf dem Landesparteitag einen Antrag, in dem Roth aufgefordert wird, die Richtlinien ihrer Behörde über die Senkung der Mietobergrenzen für SozialhilfeempfängerInnen zurückzunehmen. Dabei können sich die Grünen auf den SPD-Landesvorsitzenden Jörg Kuhbier berufen. Der hatte vor 14 Tagen in einem taz-Interview zugegeben, diese Richtlinie sei „kein Glanzpunkt“. Das denkt auch GAL-Vorstandssprecher Peter Schaar: „Schlechte Sozialpolitik muß eben revidiert werden.“

Von einer Klimaverschlechterung im rot-grünen Senat will Ludwig Rademacher dennoch nichts wissen: „Meinungsverschiedenheiten kommen vor. Man muß sie konstruktiv ausdiskutieren“, kommentierte der Sprecher von SPD-Bürgermeister Ortwin Runde den ungewöhnlichen Vorstoß der GAL.

Die im Frühsommer erlassene Weisung der Sozialbehörde definiert deutlich niedrigere Richtwerte für Mietpreise und Wohnungsgrößen, die SozialhilfeempfängerInnen zugestanden werden. In der Folge wurden Hunderte von Betroffenen von den Sozialämtern per Bescheid aufgefordert, unterzuvermieten oder in eine günstigere Wohnung umzuziehen. In etlichen Fällen wurde die Zahlung von Mietzuschüssen bereits gestoppt (taz berichtete mehrfach).

Die GAL, deren SozialpolitikerInnen die Weisung von Anfang an kritisiert hatten, fordert nun die Senatorin ultimativ auf, die Richtlinie „sofort auszusetzen“ und alle Bescheide „zurückzunehmen“. Bei einer Neufassung müßten die „reale Wohnungsmarktsituation“ und der amtliche Mietenspiegel der Baubehörde berücksichtigt werden. Susanne Uhl, wohnungsbaupolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, wertete den Beschluß als „klares Signal der ganzen Partei an die SPD, daß wir das nicht mitmachen.“

Roths Sprecherin Petra Bäurle verwies gestern gegenüber der taz darauf, daß die Senatorin bereits Klarstellungen veranlaßt habe. In Gesprächen mit den Sozialamtsleitern der Bezirke habe sie darauf gedrängt, „jeden Einzelfall nochmal genauestens zu überprüfen“. Betroffenen würden jetzt von den Sachbearbeitern auch Beratungsgespräche und gegebenenfalls eine zusätzliche spezielle Beratung bei den Mietervereinen angeboten. Am heutigen Montag werde die Senatorin darüber hinaus erneut bezirkliche Sozialämter besuchen, so Bäu-rle, „um sich vor Ort ein noch genaueres Bild zu verschaffen“.

Vielleicht wäre anschließend ein weiterer Ortstermin geraten: in den Räumen der GAL.