Hases Saukomik im Schaumstoffmantel

■ Auch die Oldenburger Kulturetage hat Besinnliches für die Weihnachtszeit: Dieter Ockenfels' „Alice im Wunderland“ stößt auf depressive Schildkröten und schwule Hasen

Zurück in die Zukunft, so lautet wohl das Motto des „Ensemble der Kulturetage“. Mit der aktuellen Inszenierung von „Alice im Wunderland“ versucht das Oldenburger Ensemble in Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Regisseur Dieter Ockenfels offenbar an den Erfolg des „Sommernachtstraums“ anzuknüpfen, der an der Hunte 1996 zum Open-Air-Hit des Jahres avancierte. Doch die Stars der alten Inszenierung sind auch die der neuen – und da wird einiges reproduziert.

Zweifellos: Franz Fendt (als Puck bekannt) im Hasenkostüm mit Puschelschwanz, Gamaschenschuhen und skandinavisch-französelndem Akzent ist als fächerschwingender Nager mit homoerotischem Touch einfach saukomisch. Und in den einzigartigen Kostümen von Kerstin Laackmann mutieren die Schauspieler zu teils monströsen armlosen Fabelwesen, die auf wundersame Weise Schwänze und Flügel zum Zappeln bringen. Nur: Man hat eben durchgängig das Gefühl, all das irgendwo schon mal gesehen zu haben. Und die visuellen Knalleffekte überdecken einfach auch schauspielerische Schwächen.

Tina Harms als Alice wirkt ohne den Schutz von Schaumstoff und anderen kostümbildnerischen Mitteln auch deutlich am blassesten. Ihre Präsenz fällt in der mädchenhaften Leichtigkeit, die sie zu verkörpern meint, total in sich zusammen. Angst und Staunen gehören überhaupt nicht zu ihrem Repertoire – dabei zappt sie sich doch durchs Wunderland. Und das lebt von den Wesen, die das nüchterne Bühnenbild bevölkern. Spanische Wände wie aus einem Holzbaukasten werden von eifrigen, quiekenden Erdmännchen hin- und hergeschoben. Der emsige Umbau wird zum act an sich. Fast synchron dazu läuft die stakkatohafte Klangcollage von Jegor Wyssozkij einem schnurrenden quasselnden Uhrwerk gleich ab.

Gullideckel öffnen sich wie von selbst, Grinsekatze springt heraus und verschwindet wieder im Souterrain, das sich den Zuschauern wie ein Eros-Center präsentiert: Jalousien öffnen sich zum Peep. Hier kocht die machtbesessene Königin ihr Süppchen, eine Domina in langgeschlitztem Lackkleid, die eine irre Lust am Köpfen verspürt. Franziska Vondrlik hat ein Talent zu solchen Weibsbildern, auch die fette hinterhältige Ente zeichnet sie mit schonungsloser Häßlichkeit. Und Roger Schmitz kriecht geradezu in die Figur: Als verhärmte Maus und als depressive Schildkröte mit lahmem Augenaufschlag verrät er auch unter dickem Schaumkostüm seine Fähigkeit zur charakterlichen Ausfärbung.

Und das tut der Inszenierung, die sich in 120 Minuten vor komischen und absurden Einfällen nur so biegt, richtig gut, gerade in den Längen des zweiten Aktes, der so eben mal am Klamauk vorbeisegelt. Irgendwie hätte der Abend endlos so weitergehen können, verliebt in jede kleine, ulkige Idee und ohne klaren dramaturgischen Schnitt. Schade, daß darin dann die brillanten Wortspiele um die Absurdität jedweder Begrifflichkeiten untergehen und eine sächselnde Raupe (Uwe Bergeest) auch nichts Besonderes mehr scheint.

Marijke Gerwin

Kulturetage Oldenburg, täglich bis 5.12. 20.30h, auch 10.-13.12. 20.30h, jedoch schon um 18h am 8./9./14./15./16.12. Januar: 7.-14.1. 20.30h. Dauer: ca. 120 Minuten.