Reise zurück in die Kindheit

Lieder voller Spott, Poesie und Trotz – Klaus Hoffmann hat sich von Jacques Brel befreit. Jetzt geht er mit seinem neuen Album „Hoffmann–Berlin“ auf Tour  ■ Von Axel Schock

Den Brel habe er jetzt endgültig für sich unter die Erde gebracht. Brel, sein großes Vorbild, ein Übervater, der ihn seine ganze bisherige Karriere lang begleitet hatte. Im vergangenen Jahr erfüllte sich Klaus Hoffmann einen Wunsch: Im Schiller-Theater wurde sein Musical „Brel – Die letzte Vorstellung“ uraufgeführt. Siebzigmal gab Hoffmann den legendären Belgier: Die Presse war gespalten bis hämisch, das Publikum treu und begeistert. Und für das „Bühnenereignis des Jahres“ gab es die „Goldene Europa“.

„Ich mußte Brel unter die Erde kriegen, damit ich wieder über mich selbst nachdenken konnte“, sagt Hoffmann. Und er hat ganz vorne damit begonnen. Sein neues Studio-Album, das er schlicht „Hoffmann – Berlin“ betitelt hat, ist vor allem eine Reise zurück in die Kindheit und Jugend des Sängers in Berlin. Lieder voll Spott, Poesie und Trotz über die Stadt, „die wie Scheiße am Schuh klebt und verhätschelt werden will“. Lieder über den kleinen Klaus, den „Dicken Jungen“, der mit „'ner Schrippe im Maul“ über den Schulhof trottelt, Erinnerungen an den Großvater, den Hutmacher in Gehrock, mit Melone und Stock.

Nur selten wird er in seinen Texten zum Erzähler konkreter Geschichten. Hoffmann schreibt von Atmosphären, von Hektik der Stadt, ihrem ureigenen Charme der Unfreundlichkeit. „Ich bin wie mein Vorbild Proust durch meinen alten Kiez in Charlottenburg gezogen, durch die Nithackstraße, wo ich aufgewachsen bin, um den Orten, Gerüchen, Erinnerungen nachzuspüren“, erzählt Hoffmann, „und stand plötzlich auf dem alten Schulhof.“

Seine privaten Erinnerungsbilder sind aber keine Kitschpostkarten vom Kiez-Idyll geworden. Als Soundtrack für Berlin-Touristen taugen diese Lieder nur wenig. Soviel Souveränität hat der 48jährige Urberliner dann doch. Seine Auseinandersetzung mit dem „Berliner-Sein“ und dem Zustand dieser Stadt hat Hoffmann musikalisch zurückgeführt. Man staunt dann doch. Hoffmann in seiner neuen künstlerischen Standortbestimmung greift zurück auf Freddy Sieg und dessen „Zickenschulze“ und auf die Tradition der Berliner Couplets der zwanziger Jahre. Da wird nun geziemlich berlinert („Treppe ruff, Treppe runter“), und sein Orchester (mit dem er bereits die beiden Brel-Platten eingespielt hat) liefert dazu einen schmissigen Sound.

„Ich wollte auch gerne mal 'nen Blues singen, aber das glaube ich mir selbst nicht. Ein Walzer oder eine Polka liegen mir einfach mehr, und es ist zudem eine Musik, bei der man die eigene Komödiantik auch ausdrücken kann. Und ein bißchen leichter sollte es nach all dem Zugrabetragen in den vergangenen Jahren schon werden.“

So sehr dieser Befreiungsschlag für ihn auch wichtig gewesen sein mag, wirklich überzeugend ist diese Melange aus Hoffmann und Berliner Tingeltangel nicht geworden, ausgenommen ganz sicherlich das frech-satirische „Mein Hund ist schwul“.

Um so stilsicherer ist Hoffmann immer noch und immer wieder in seinen Balladen, für die ihm vor allen Dingen seit 25 Jahren sein Publikum die Treue hält. Hier passen die Wärme in seiner Stimme mit der Stimmung der Lieder perfekt ineinander, erhalten sie ihre eigene Atmosphäre, die in den Berliner Couplets letztlich nur eine geliehene und behauptete ist. François Rauber, der ehemalige Arrangeur und Mitkomponist von Jacques Brel, der in den letzten Jahren unter anderem für Sting und Barbra Streisand gearbeitet hat – und auch Hoffmanns Brel-Aufnahmen arrangiert hat –, liefert mit dem 28köpfigen jungen Orchester einen weichen, sanften Klang, der über manch textliche Banalität unbemerkt hinwegtäuscht. Auf seiner – schon jetzt fast ausverkauften – Tournee mit sechzig Stationen in drei Monaten, die heute abend mit dem Konzert im Friedrichstadtpalast startete, steht Hoffmann dann allerdings lediglich eine Viermannband zur Verfügung.

Seit „Brel – Die letzte Vorstellung“ ist in Hoffmann, dem ausgebildeten Schauspieler, auch wieder die Spiellust mehr erwacht. Sein erstes Musical sieht er als Experiment.

Die Form des Musiktheaters weiter zu entwickeln, ist sein neuer, alter Traum geworden. Ein neues Stück gärt bereits in ihm: „Die Straße der Sehnsucht“ (über die 68er in Berlin). Vier Songs daraus sind bereits auf der neuen Platte zu finden.

Aber nach der Tour, sagt er, wird er sich dann doch erst mal wieder nach Kladow zurückziehen und ein Buch schreiben. Ob's was Autobiographisches werden soll? „Sänger sind ja so Typen, die lügen immer. Wenn ich aber mutiger bin, sau' ich richtig darin 'rum.“

Klaus Hoffmann & Band: 30.11. Friedrichstadtpalast, 23.1.99 HdK