„Suharto wird gerichtet werden“

■ Marzuki Darusman ist Fraktionschef der indonesischen Regierungspartei Golkar. Im Zusammenhang mit den Unruhen in seinem Land erhebt er Vorwürfe gegen das Militär. Noch fehlen konkrete Informationen

Marzuki Darusman ist zugleich Vizevorsitzender der offiziellen nationalen Menschenrechtskommission. Er leitete eine Untersuchung über die Hintergründe der Unruhen im Mai, als vier StudentInnen an der Trisakti Universität erschossen wurden und bei anschließenden Krawallen rund 1.200 Personen ums Leben kamen. Unterdessen wurden jüngst am sogenannten „schwarzen Freitag“ erneut 16 Demonstranten erschossen.

taz: Sie sind nicht nur einer der prominentesten Menschenrechtler in Indonesien, sondern auch ein hoher Vertreter der Expräsident Suharto stets ergebenen Golkar- Partei. Wie vereinbaren Sie das?

Marzuki Darusman: Das muß kein Widerspruch sein. Wenn wir gute Politik machen, dann müssen wir versuchen, dies so eng wie möglich mit den Menschenrechten zu verbinden. Als ich anfing, wollte ich mich politisch engagieren, damit die Menschenrechte besser geachtet würden.

Das war offenbar wenig erfolgreich!

Die nationale Menschenrechtskommission entstand erstaunlicherweise schon unter Suharto. Das verdanken wir dem starken Druck aus dem Ausland und von indonesischen Menschenrechtsgruppen. Für mich war dies eine Chance, etwas zu bewirken. Ich bin schon seit 30 Jahren Golkar-Mitglied, allerdings war ich in den letzten 10 Jahren aufs Abstellgleis geschoben worden, weil Suharto nicht mit mir einverstanden war.

Armeechef Wiranto hat zugegeben, daß am „schwarzen Freitag“ scharf geschossen wurde – gegen seinen ausdrücklichen Befehl. Aber warum sagt er nicht, wer dafür verantwortlich ist?

Das wissen wir nicht. Die Menschenrechtskommission hat eben eine Untersuchungsgruppe gebildet. Wir müssen abwarten, was sie ans Licht bringt.

Sie haben die Hintergründe der Mai-Unruhen untersucht, die zum Rücktritt von Suharto führten. Was war das wichtigste Ergebnis?

Daß es eine Verbindung zwischen den Entführungen Anfang des Jahres gibt...

...von Dissidenten, die in geheimen Militärgefängnissen gefoltert wurden...

...und den Schüssen an der Trisakti Universität und den Unruhen im Mai. Das waren keine isolierten Vorfälle, es war organisiert.

Wer steckt dahinter?

Wenn die Sicherheitskräfte effektiver gewesen wären, hätte es weniger Gewalt gegeben. Es war die Aufgabe des Stadtkommandanten von Jakarta, die Bevölkerung zu schützen. Es ist aber auch klar, daß die Gewalt Folge einer Serie von Ereignissen war, die allerdings schon 1996 begann.

Auch damals war die Armee beteiligt, als die Oppositionspolitikerin Megawati ihren Parteivorsitz verlor und es im Juli zu schweren Unruhen in Jakarta kam. Warum ist bis heute noch kein einziger Militärführer vor Gericht gestellt worden?

Das ist die zentrale Frage. Wir warten derzeit, daß die Regierung auf unseren Bericht reagiert. Sie sagt, sie braucht vier Wochen um ihn zu lesen. Danach werden wir sehen, was wir tun müssen, um unseren Druck auf die Verantwortlichen zu verstärken.

Sollte Suharto für die Menschenrechtsverletzungen seines Regimes vor Gericht kommen?

Ja. Denn das ist eine von mehreren Formen, mit der Vergangenheit fertig zu werden. Suharto wird von der Öffentlichkeit gerichtet werden. Entscheidend wird sein, ob er bereit ist, sich den Vorwürfen zu stellen. Bislang allerdings versucht er, alles zu verschleppen. Wir stehen erst am Anfang.

Glauben Sie, daß Präsident Habibie seinen ehemaligen Mentor Suharto tatsächlich vor Gericht bringt?

Die gegenwärtige Regierung entstammt dem alten System, aber sie gründet ihre Legitimation auf die neuen Normen. Jetzt muß sich herausstellen, ob sie es mit der Demokratie ernst meint oder ihre Macht mißbrauchen wird. Interview: Jutta Lietsch