Kurz vor zwölf für Schifffahrt

■ Bürgerinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ übergibt heute 7.500 Unterschriften für Volksbegehren gegen neue Rechtschreibung / Abstimmung am Bürgerschafts-Wahltag 6.6.1999?

Gerade erst wurde in Bremen die Schifffahrt eingeführt, jetzt soll ihr schon wieder der Garaus gemacht werden. Die Bürgerinitiative „Wir gegen die Rechtsschreibreform“ ist drauf und dran, die erste Hürde für ein Volksvotum gegen die neue Rechtsschreibung in Bremen zu nehmen. Heute um Viertel vor Zwölf Uhr werden 7.500 Unterschriften (nötig sind mindestens 5.000) übergeben, mit denen ein Volksbegehren beantragt wird.

„Noch kein Volksbegehren in Bremen hat es in so kurzer Zeit geschafft, die erste Hürde zu überspringen“, frohlockte der AfB-Bürgerschaftsabgeordnete und Vertrauensmann der Initiative, Gerold Fuchs. Die Unterschriften seien innerhalb von 14 Tagen gesammelt worden. Quer durch alle Altersgruppen sei Unterstützung für das Verhinderungs-Vorhaben gekommen, sagt Fuchs.

Die Forderung der Bürgerinitiative: Der Bremer Senat soll alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich auf Bundesebene „für den Erhalt einer einheitlichen Rechtschreibung in Deutschland“ einzusetzen. Mit dem Veto der Bremer könne die Reform in ganz Deutschland gekippt werden. Demnächst sollen auch in Bayern und Berlin ähnliche Volksbegehren eingeleitet werden. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen blieben Bürgerinitiativen gegen die neue Schreibweise ohne Folgen.

Was die Bürgerinitiative antreibt? „Wir sind gegen die Reform, weil wir sie für so überflüssig wie einen Kropf halten“, sagt Fuchs. Die Reform bringe keine Erleichterung, sondern mache die Sprache im Gegenteil unübersichtlicher. Die neuen Regeln halten sie für inkonsequent und undurchdacht. Wirtschaftliche Interessen der Buchverlage stünden hinter der Reform, alles in allem koste die Reform „wahnsinnig viel Geld“.

Noch vor Weihnachten, so hofft die Bürgerninitiative, wird über die Zulassung für ein Volksbegehren entschieden. Dann hätte man drei Monate Zeit, um 51.000 Unterschriften für ein erfolgreiches Begehren zu sammeln. Gelingt dies, könnte zusammen mit der Bürgerschaftswahl am 6. Juni 1999 darüber abgestimmt werden, ob der Gesetzesvorschlag der Initiative angenommen wird. Für diese letzte Stufe bräuchte man 130.000 Stimmen (25 Prozent der Wahlberechtigten).

Unterstützung für ihr Ansinnen erhoffen sich die Gralshüter der alten Rechtschreibung von der AfB: Derzeit sammelt die Partei Unterschriften für ihr Volksbegehren zur Verkleinerung der Bürgerschaft. Auch bei einem Besuch beim Zentralelternbeirat (ZEB) hätten spontan 9 von 13 Anwesenden die Unterschriftenlisten unterschrieben, berichtet Petra Ahrens, Kopf der Bremer Bewegung.

Nachfragen ergeben allerdings, daß die Fronten gegen die Reformen längst nicht fest geschlossen sind. Bei der AfB gibt es bislang weder einen Fraktionsbeschluß zum Thema, noch sei in der Vergangenheit versucht worden, das Thema parlamentarisch zu lösen, berichtet AfB-Fraktionssprecher Andreas Lojewski. Auch ZEB-Sprecher Joachim Knuth weist darauf hin, daß das Eltern-Gremium in der Frage gespalten sei.

Jan Fries, Vorstandsmitglied der GesamtschülerInnen-Vertretung, findet die Initiative „katastrophal“. Die Reformen seien ein Schritt in die richtige Richtung. „Es versetzt uns in Erstaunen, wie so wenige Worte, die abgeändert werden sollen, zu einem solchen Glaubenskrieg führen können.“

Christoph Dowe