Das Portrait
: Zwielichtiger Agent in eigener Sache

■ Barsan al-Takriti

Seine Rückkehr verschob er auf die letzte Minute. Gestern wäre Barsan al-Takritis Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz abgelaufen. Einen Tag zuvor verließ der Halbbruder Saddam Husseins das Land. Hinter ihm liegen über zehn Jahre als irakischer Botschafter bei der UNO in Genf.

Eigentlich hätte der 46jährige die Heimreise bereits im Juni antreten sollen. Damals hatte Iraks Staatschef 30 seiner Diplomaten aus aller Welt zurück nach Bagdad beordert. Doch al-Takriti blieb. Diplomaten munkelten, er plane den Absprung von Saddam Hussein, Hintergrund seien Streitigkeiten mit dessen Söhnen Udai und Kussai.

Tatsächlich hatte sich Takriti persönlich mit Udai angelegt. Der älteste Präsidentensproß sei „habgierig und als Machthaber ungeeignet“, erklärte 1995 einer ausländischen Zeitung. Zuvor hatte Udai Barsan al-Takritis Bruder Watban in die Genitalien geschossen.

In Genf agierte der ehemalige Geheimdienstchef als Spezialist für dunkle Geschäfte. Aus der Diplomatenhochburg koordinierte er die geheime Finanzmaschinerie der Familie Saddam Hussseins. Mindestens zehn Milliarden US-Dollar soll der irakische Diktator noch vor dem zweiten Golfkrieg außer Landes geschafft haben, vieles davon Beute aus dem Überfall auf Kuwait. Zudem gelten weltweit Hunderte von Unternehmen als von Bagdad aus gesteuert. Al- Takriti dürfte zu den ganz wenigen Menschen gehören, die zumindest eine Ahnung davon haben, wo diese Gelder versteckt sind.

Beobachtern in Genf galt al-Takriti als zwielichtiger Agent in eigener Sache, als Vertrauter und Gegner Saddams zugleich. Er selbst widersprach dieser Darstellung stets. Mit der irakischen Staatsführung habe er „keine Differenzen“, erklärte er am Sonntag in der jordanischen Hauptstadt Amman und machte sich auf den 900 Kilometer langen Landweg nach Bagdad. In Genf sei er nur länger geblieben, weil sich seine Ehefrau Ahlam dort einer Krebsbehandlung unterzogen habe. Die 44jährige starb Mitte November. Diplomaten behaupten, Barsan al-Takriti habe die zurückliegenden Monate zu Verhandlungen über seine Rückkehr nach Bagdad genutzt. Ihm sei der Premierminister-Posten versprochen worden, bisher eines der zahlreichen Ämter Saddam Husseins. Thomas Dreger