Konzernprotest läßt Rot-Grün kalt

■ Trotz Protestbriefen der Stromkonzerne will die Koalition Atomnovelle und Energiekonsensgespräche wie geplant beginnen

Bonn (taz/rtr) – Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet trotz Kritik aus der Energiewirtschaft am Bundesumweltministerium damit, daß im Januar das erste Konsensgespräch zum Atomausstieg stattfinden wird. Noch vor Weihnachten solle eingeladen werde, so ein Sprecher von Wirtschaftsminister Werner Müller.

In gleich vier Briefen an Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten sich Gewerkschafter und Stromkonzerne gegen Trittin gewandt und ein Stopp der Atomnovelle verlangt. Der Bestandsschutz für AKW dürfe darin nicht ausgehöhlt werden, forderten laut Handelsblatt die Chefs von Veba, RWE und Viag. „Im Interesse unbelasteter Verhandlungen... möchte ich Sie daher bitten, von einer Novellierung des Atomgesetzes vor Abschluß der Konsensgespräche ganz abzusehen“, schrieb demnach Veba-Chef Ulrich Hartmann. „Einseitige Vorabfestlegungen“, sekundierten die Gewerkschaftsvorsitzenden Herbert Mai (ÖTV) und Hubertus Schmoldt, (IG Bergbau, Chemie, Energie), müßten „am Ende zu einer Konfrontation führen, die den Erfolg der Konsensgespräche in hohem Maße gefährdet“.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will die Arbeit an seinem Gesetzentwurf nach Angaben seines Sprechers weiterführen – selbst wenn die Betreiber ihm auch weiterhin keine Einsicht in die Wiederaufarbeitungsverträge der Betreiber geben. Da die Versorger sich geweigert hätten, diese Einsicht zu gewähren, hoffe das Ministerium, sie bis Freitag über die Bundesländer als Aufsichtsbehörden zu erlangen. Auch wenn dies bis dahin nicht gelinge, werde die Novellierung des Atomgesetzes weiter vorangebracht.

Derweil zeigt sich Frankreich irritiert von der Absicht der Bundesregierung, die Wiederaufarbeitung abgebrannter deutscher Brennstäbe in Frankreich künftig unterbinden zu wollen. Er könne sich nicht vorstellen, daß auf Regierungsebene vereinbarte Verträge nicht eingehalten würden, sagte Frankreichs Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn. Laut Christian Gobert von der Wiederaufarbeitungsfirma Cogema seien die Verträge durch Briefe der Regierungen Frankreichs und Deutschlands abgesichert. Er bezieht sich dabei auf einen Austausch diplomatischer Noten zwischen Bonn und Paris aus dem Jahr 1990. Doch der französischen Tageszeitung Le Monde zufolge sind die so vage formuliert, daß sie verschiedene Interpretationen zuließen. Spekuliert wird außerdem darüber, ob es in den Verträgen zwischen Cogema und Elektrizitätskonzernen eine „Kündigungsklausel“ für den Fall höherer Gewalt – also zum Beispiel einem von der Regierung beschlossenen Atomausstieg – gibt. Das bleibt solange unklar, wie die Stromkonzerne die Verträge nicht vorzeigen.

Das Verbot der Wiederaufarbeitung in Deutschland würde die in La Hague für Auslandsbrennstäbe reservierte Anlage hart treffen – 40 Prozent der Aufträge stammen aus Deutschland. urb