Analyse
: Indischer Denkzettel

■ Indiens Regionalwahlen: Fiasko für BJP, Comeback der Kongreß-Partei

Die in Indien regierende nationalistische Hindupartei BJP hat bei den Regionalwahlen vom letzten Mittwoch eine schwere Schlappe erlitten. In den nordindischen Gliedstaaten Delhi und Rajasthan muß sie die Regierungsführung abgeben, während es ihr in Madhya Pradesh nicht gelang, die lokale Kongreß-Regierung aus dem Sessel zu heben. Die großen Gewinner sind die Kongreß-Partei mit zum Teil erdrutschartigen Gewinnen und ihre neue Parteivorsitzende Sonia Gandhi. In Rajasthan verdoppelte die Partei ihre Mandate und erreichte eine Dreiviertelmehrheit der Sitze. In Delhi gewann sie dreimal mehr Stimmen als vor fünf Jahren. In Madhya Pradesh erreichte Kongreß dasselbe Resultat wie 1993. Einzig im ostindischen Kleinstaat Mizoram verlor die Kongreß-Partei die Mehrheit und damit die Regierungsführung an eine tribale Gruppierung.

In der BJP-Zentrale herrscht gedrückte Stimmung. Die Parteiführung hatte wegen der großen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln Niederlagen in Rajasthan und Delhi erwartet, aber nicht, daß diese ein Debakel sein würden. Der eigentliche Schock war der unerwartete Kongreß-Sieg in Madhya Pradesh, wo sich die BJP bereits an der Macht wähnte. Ermutigt durch positive Prognosen vom Wahltag hatte sie sich die Erklärung zurechtgelegt, daß die Aussage der Wahlen ein Verdikt gegen die jeweiligen Regierungsparteien sei, was sowohl Kongreß als auch BJP getroffen hätte. Mit dem Kongreß-Sieg in Madhya Pradesh muß sich die BJP- Führung nun die Frage gefallen lassen, ob die Wähler die BJP als Partei strafen wollten. Damit wäre auch die Zentralregierung und ihr weiteres Überleben gemeint. Zwar hat Premier Vajpayee derartige Parallelen zurückgewiesen. Doch fraglich ist, ob dies auch alle zwölf Koalitionspartner tun werden.

Der Jubel in der Kongreß-Partei ist um so größer, als der Sieg das erste Erfolgserlebnis nach Jahren des Niedergangs darstellt. Das Ausmaß des Siegs könnte den Druck in der Parteiführung erhöhen, die Gunst der Stunde zu nutzen und aktiv den Sturz der Regierung zu betreiben. Doch Sonia Gandhi sprach sich gegen eine solche Strategie aus. Es heißt, sie halte den Zeitpunkt für Neuwahlen für verfrüht. Sie muß die Partei nach den vielen Jahren des Niedergangs noch weiter festigen, bevor sie Neuwahlen erzwingen kann. Andernfalls riskiert sie ein Mandat, das zu einer eigenen Mehrheit nicht genügen und sie von Kleinparteien abhängig machen würde. Der Sieg hat ihre Autorität zweifellos gefestigt, aber es ist ungewiß, ob sie sich der Versuchung zur Macht unter ihren Anhängern entgegenstemmen könnte. Das Wahlresultat hat auch bewiesen, daß Gandhis italienische und katholische Herkunft ihr nicht schaden. Es war eine Ironie, daß ausgerechnet Mizoram, der einzige Staat mit einer christlichen Mehrheit, ihre Partei abgewählt hat. Bernard Imhasly