Lafontaine will Steuererhöhung... nicht ankündigen

■ Nach einer Krisensitzung des SPD-Präsidiums erklärt der Vorsitzende die Debatte um die Mehrwertsteuer für beendet. Eine Erhöhung will er nicht für vier Jahre ausschließen – sie aber auch nicht ankündigen

Bonn (taz) – SPD-Parteichef Oskar Lafontaine hat den parteiinternen Streit um die Erhöhung der Mehrwertsteuer im speziellen und um den Kurs der Regierung im allgemeinen für beendet erklärt. Es sei derzeit „nicht ratsam, Steuererhöhungen anzukündigen“. Jetzt gehe es darum, die familienfreundliche Steuerreform umzusetzen, sagte Lafontaine gestern vor Journalisten. „Wenn irgendein Abgeordneter etwas zur Fahrradgepäcksteuer sagt, ist das nicht die Meinung der SPD.“ Nur wenn sich daran der Parteivorsitzende oder der Bundeskanzler beteiligten, seien die Aussagen für die SPD relevant.

Nach dem Willen Lafontaines ist das Thema Mehrwertsteuererhöhung vom Tisch. Die Beschlußlage der Partei sei klar: „Es gibt derzeit keine Absicht, die Mehrwertsteuer zu erhöhen.“ Der Parteivorsitzende wollte sich nicht darauf festlegen, eine Mehrwertsteuererhöhung für die ganze Legislaturperiode auszuschließen. Er begründete das mit seiner Erfahrung, sich besser nicht auf Dauer festzulegen. In der jetzigen konjunkturellen Situation seien Spekulationen über eine Mehrwertsteuererhöhung jedenfalls verfehlt.

Die gestrige Präsidiumssitzung der SPD, zu der alle SPD-Ministerpräsidenten eingeladen waren, war eine Art Krisensitzung. Es ging darum, künftig zu verhindern, daß Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und SPD-regierten Ländern in die Öffentlichkeit dringen. Wer sich ohne Einverständnis des Finanzministers zu Steuerfragen äußere, sagte Lafontaine, liefere zwar einen „netten“ Redebeitrag, aber nichts Aussagekräftiges. Lafontaine will mit gutem Beispiel vorangehen. Er selbst werde auch keine Äußerungen machen, die nicht mit den Finanzministern der Länder abgesprochen seien.

Lafontaine tat so, als sei die Diskussion um die Mehrwertsteuer von einer verirrten SPD-Seele angefacht worden. Er reagierte gereizt auf Vorbehalte der Medienvertreter, ob Ministerpräsident Wolfgang Clement mit der Beschlußlage der Partei zur Mehrwertsteuer einverstanden sei. Nicht Clement, sondern „der neue nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister“ Peer Steinbrück habe die Diskussion um die Mehrwertsteuer aufgebracht. Es gilt allerdings als sicher, daß sich Steinbrück vor seinen Äußerungen Rückendeckung von Clement geholt hatte. Dieser hatte dafür plädiert, die Mehrwertsteuer im Zuge der europäischen Harmonisierung anzuheben. Um die Abstimmung innerhalb der SPD zu verbessern, hat sich die SPD noch etwas einfallen lassen. Lafontaine kündigte an, daß Kanzler Gerhard Schröder künftig verstärkt an Sitzungen des Präsidiums teilnehmen werde. Markus Franz

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