Orte der Hoffnung

„Suche nach Leben“: Der Kiez-Dichter und Kultur-Reisende Hans Eppendorfer hat mit Peter Kern seinen eigenen Kino-Nachruf verfaßt  ■ Von Matthias von Hartz

Wer seinen Film Suche nach Leben nennt, hängt die Latte hoch. Das kann eigentlich nur als weinerliche Frankreichreise gutgehen, alles andere muß scheitern. Wenn man nun weiß, daß es sich um eine Kooperation von Peter Kern und Hans Eppendorfer handelt, dann ahnt man, daß das Ganze zwar eventuell so pathetisch wird, wie es klingt – aber zumindest auch charmant.

Peter Kern ist mit dem unheilbar kranken Hamburger Journalisten, Schriftsteller und St.-Pauli-Stadtteilschreiber an Orte dessen Lebens und an Orte der Hoffnung des Weiterlebens gereist. Und damit das jeder gleich kapiert, sitzt Kern auch direkt zu Beginn irgendwo in einer Dschunke Eppendorfer gegenüber und plaudert mit ihm. Im Laufe der Zeit verliert der Film diese Aufdringlichkeit jedoch, und langsam entspinnt sich ein Geflecht aus Dokumentarmaterial, etwas plumpen Kern-Auftritten, schönen Spielszenen und clever inszenierten Realitäts-Rekonstruktionen – womit es letztlich gelingt, eine Ahnung der schillernden Dichter-Figur einzufangen.

Eppendorfer verbrachte, in Ermangelung von Familie, in der Kindheit die meiste Zeit mit seinem Cello und einer Pflegemutter. Die erschlug er mit 17 und begann, während der nächsten zehn Jahre im Gefängnis zu schreiben. Schnell faßte er danach Fuß sowohl in Eppendorf als auch in der deutschen Literaturszene. Aus der Verbindung zu Hubert Fichte entstand sowohl ein Schwulen-Interview-Zyklus als auch der eine oder andere Skandal auf den Theater- und sonstigen Bühnen des 70er-Jahre-Deutschlands. Danach wurde Eppendorfer einer der wachsten Reisenden in Sachen Kultur und lernte einfach überall alle kennen.

Manche davon treffen wir nun auch wieder, vor allem bereist der Film jedoch mit dem Autor Orte seiner Erinnerung, nicht nur auf dem Kiez, sondern auch in Ägypten. Und da wird dann nicht Memory-Sight-Seeing betrieben, sondern Verbindung zwischen Realität und Erinnerung hergestellt, eine in den Gräbern der Totenstadt lebende Familie besucht, Terroropfer vor den Luxor-Tempeln gespielt und einfach ungeachtet der Gebrechlichkeit in einem alten Dampfbad gebadet. Schließlich lernt Eppendorfer dort den Filmstar Yousra kennen, und in der rührenden Mischung aus Offenheit und Ehrfurcht, mit der er ihr begegnet, ahnt man die Größe dieses Mannes. Von der erzählt Suche nach Leben angenehm wenig, vermeidet auch die naheliegende Anekdotenklauberei, sondern bricht sentimentale Szenen immer wieder so geschickt mit schrillen oder schlicht überraschenden, daß man sich fast mehr davon wünscht und überlegt, wo man mit Reiseführer Eppendorfer hinfahren möchte.

Er selbst scheint in dem Film zu anderen Dingen zu reisen: zur Vergewisserung, gelebt zu haben, Menschen wirklich begegnet zu sein und nicht nur oberflächliche Spuren hinterlassen zu haben. In diese Mischung aus Lebenssehnsucht und gewünschter Realität schneidet Kern dann Diskussionen über den Tod in der Studiokulisse von „Peep“, eine skurrile Begegnung mit Sepp Bierbichler als Totengräber von Eppendorfers Grab oder die surreale Rekonstruktion von Eppen-dorfers Prozeß. Eine Gruppe polnischer Punks und Hunde verhandelt über den Totschlag an der Pflegemutter. Die Art und Weise, wie Eppendorfer da dem Jungen, der ihn spielt, interessiert über die Schulter guckt, beschreibt die Grundatmosphäre – so bestimmt und doch bescheiden, wie man eben in seinem eigenen Nachruf auftreten kann.