Der König von Playmobil

■ Ein ärgerliches Gastspiel mit der eigentlich schönsten Oper von Giuseppe Verdi: „Aida“, verbrochen von der Stagione d'Opera

Berühmt geworden sind die Musickritiken des Spötters George Bernhard Shaw. In seiner kürzesten schrieb er: „Sowieso sang die Aida. Warum?“ Genau das möchte ich die Stagione d'Opera Italiana fragen, die jetzt mit Giuseppe Verdis „Aida“ in der Glocke gastierte. Warum? Ein Kasteneingang markierte Nil, Königspalast, Tempel und Gefängsnis gleichermaßen. Dagegen ist für die Produktionen von Tourneetheatern grundsätzlich nichts zu sagen. Es ist allerdings erforderlich, daß mit anderen Mitteln die Atmosphären hergestellt werden müssen. Und da war in diesem Gastspiel ein szenischer Dilettantismus am Werk, vor dem noch jede Mittelstufenaufführung in der Schule alle Ehre eingelegt hätte.

König und Prinzessin von Playmobil – mit den meisten Goldkleidchen selbstredend – wurden da zwischen den angefetteten Ägyptern herumgeschoben, bar jeglichen Versuchs, einen Inhalt, eine Befindlichkeit über einen Körperausdruck zu zeigen. Warum die eifersüchtige Amneris immer mit nach außen abgewinkelten Händen herumlaufen muß, blieb genauso ein Geheimnis wie die ohne Sinn und Verstand hektisch in die Luft geworfenen Arme der Aida, die sich außerdem zu schlangenartigen Bewegungen entschloß, die ihr jeden normalen Schritt verboten. Aida, Amneris, Amonasro, der König: Wenn Regie überhaupt nicht stattfindet, dann gibt es ja immerhin so etwas wie private Rollenauffassung, die je nach Begabung gelegentlich auch ganz eindrucksvoll sein kann. Aber das war in dieser Aufführung auch nicht der Fall, so viel Talentlosigkeit habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.

Blieb die Musik, tapfer gespielt und in der Qualität leidlich vertretbar, aber ohne jeden Tiefgang wiedergegeben von knapp dreißig MusikerInnen, also eher zu wenigen. Aber in ein musikalisches Konzept ist die kleine Besetzung unter der Leitung von Marco Goldoni nicht umgeschlagen. Das hätte heißen können: Kammermusikalische Durchsichtigkeit und Gesangsstimmen, die dazu passen. Da aber ist auf der hochdramatischen Ebene eher geklotzt und entsprechend gebrüllt worden, keiner der Protagonisten hatte Lust, auch mal leise zu singen, was Verdi immerhin an entscheidenden Stellen fordert. Im Rahmen dieser Beschränkungen waren Helrun Gardow als eher dümmliche Aida, Eva Panczel als dauermaulige Amneris, Valeri Kostin als bodygebildeter Radames und der Alfio Grasso als grauhaarig-smarter Amonasro nett anzuhören. Aber warum das alles?

Ein solches Gastspiel wirft eher kulturpolitische Fragen auf. Opern sind im Opernhaus generell besser aufgehoben, und wenn man sich mit den großen Werken auf Tournee macht, muß man sich schon etwas einfallen lassen, das eine solche Produktion künstlerisch legitimiert. Denn vielleicht ist das Publikum doch nicht ganz doof und hat längst auf den miserablen Ruf der Operntourneen – Ausnahmen bestätigen immer die Regel – reagiert: Die Glocke war gerade mal Viertel voll. Diesem Häuflein hat's gut gefallen. Ute Schalz-Laurenze