Keine Ghettoisierung von Frauenforschung

■ Neues Zentrum für feministische Studien an der Bremer Universität soll Forschungen verschiedener Richtungen bündeln und sichtbar machen, sagt Professorin Sigrid Schade

Die Universität Bremen hat eine neue Einrichtung: Gestern wurde das „Zentrum für feministische Studien, Frauenstudien und Gender-Studies“ eröffnet. Seit Mitte der 80er Jahre laufen die Vorbereitungen für das fachübergreifende Zentrum, seit drei Jahren befindet sich das Zentrum in Gründung. Vor wenigen Monaten gaben Akademischer Senat und Wissenschaftsbehörde endgültig grünes Licht für das Zentrum. Was es mit der neuen Einrichtung auf sich hat, darüber sprach die taz mit der stellvertretenden Sprecherin des Zentrums, der Kulturwissenschafs-Professorin Sigrid Schade.

taz: Warum ist so ein Zentrum nötig?

Prof. Sigrid Schade: Das Zentrum wurde aus drei Gründen aufgebaut: Erstens sollen die bereits an der Uni existierenden Forschungen in dem Bereich vernetzt, gebündelt und sichtbar gemacht werden. Die zweite Motivation ist, mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fachbereiche und Studiengänge gemeinsame interdisziplinäre Forschungsprojekte durchzuführen. Der dritte Grund ist die Frauenförderung beim wissenschaftlichen Nachwuchs: Das Zentrum soll Kontinuität bei der Betreuung von Abschlußarbeiten gewährleisten.

Worin unterscheidet sich das Zentrum von ähnlichen Einrichtungen an anderen Unis?

Man muß aufpassen, daß es nicht zu einer Ghettobildung kommt, wenn solche Schwerpunkte eingerichtet werden. In Bremen bleiben die Wissenschaftlerinnen in ihren Fachbereichen verankert, können aber in dem Zentrum mitarbeiten, wenn sie wollen. Innovativ ist auch die Zusammenarbeit von Natur- und Technikwissenschaften und Kultur- und Gesellschaftswissenschaften. Andernorts ist Interdisziplinarität enger gefasst.

Haben Frauen an der Universität jetzt durch das neue Zentrum bessere Chancen, im Themenbereich Geschlechterstudien zu arbeiten, oder ändert sich eigentlich nichts?

Die Mitarbeiterinnen können ihre Arbeiten jetzt in einem größeren Kontext zur Diskussion stellen. Das ist natürlich besser, als wenn sie an eine Person oder einen einzelnen Fachbereich gebunden wären.

Das Zentrum ist eine “Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung“. Was für Vorteile ergeben sich aus dieser Konstruktion?

Als ZWE verfügt das Zentrum über eine minimale autonome Infrastruktur. Es gibt eine Geschäftsführerin und ein Sekretariat. Forschungsanträge an der Uni oder bei Drittmittel-Gebern können leichter gestellt werden, weil Gruppenanträge gestellt werden können.

Was für Forschungsprojekte sind denn geplant?

Schon während der Gründungsphase haben einige Wissenschaftlerinnen einen Forschungsschwerpunkt konzipiert, in dem es um „Konstruktionen und Handlungspraxen von Körper und Geschlecht“ gehen soll. Die Forscher und Konzepte kommen aus der Musikwissenschaft, Kunstwissenschaft, Soziologie, Erziehungswissenschaft, Sozialpädagogik und Physikdidaktik. Dafür sollen jetzt auch sechs Doktorandinnen-Stellen beantragt werden. Ersteinmal versuchen wir, Frauen die Möglichkeit zur Weiterqualifikation zu geben.

Das Zentrum ist also ein Forschungszentrum?

Ja. Aber in der nächsten Zeit soll auch ein Magister-Nebenstudiengang „feministische Studien“ entworfen werden.

War es leicht, im Akademischen Senat der Universität dieses neuen Zentrum durchzuboxen?

Sowohl als auch. Nach wie vor kostet es Überzeugungsarbeit, die Kollegen vom Sinn dieser wisscenschaftlichen Einheit und unseren Fragestellungen zu überzeugen. Die Mehrzahl der Fachbereiche steht der Gründung des Zentrums aber positiv gegenüber, denke ich.

Auch wenn da vielleicht Personalstellen weggenommen werden, die man woanders haben will?

Wir können keine Stellen wegnehmen. Sieben Frauen-Forschungsprofessuren sollen mit uns kooperieren, zwei davon sind bereits besetzt. Diese Stellen sind im Hochschulentwicklungsplan vorgesehen und wurden von den Uni-Gremien so abgesegnet. Aber natürlich stehen Neubesetzungen in allen Fachbereichen in Konkurrenz zueinander. Der Akademische Senat hat eine Prioritätenliste, und wann da die offenen Stellen nach oben rücken, ist unklar.

Fragen: Christoph Dowe