Innensenator als Türkei-Spitzel?

■ Borttscheller soll Daten über angebliche PKK-Aktivisten aus Bremen an türkische Behörden weitergereicht haben / Innenbehörde dementiert / Verwaltungsgericht Stade lädt Innensenator vor

Bremens Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) muß in der kommenden Woche als Zeuge vor dem Verwaltungsgericht Stade über seinen Türkei-Besuch im Mai dieses Jahres aussagen. Dabei soll er Auskunft geben über „Anlaß und Gegenstand der Gespräche“, heißt es in dem Gerichtsbeschluß. Der konkrete Grund dafür sind die Asylverfahren von drei KurdInnen. Diese führen an, nach türkischen Medienberichten habe Borttscheller mit türkischen Behörden unter anderem Daten über ihre angebliche Mitarbeit in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ausgetauscht. Darum müßten sie jetzt mit politischer Verfolgung bei einer Abschiebung rechnen.

Das Verwaltungsgericht Stade, das für diesen Fall zuständig ist, hat diese und mehrere andere Asylverfahren jetzt zunächst ausgesetzt. Zuerst soll Borttscheller „zu seiner Türkei-Connection“, so der KurdInnen-Anwalt Hans-Eberhard Schultz, vernommen werden.

Der Hintergrund ist zunächst das Verbot des Kurdisch-Deutschen Vereins für Völkerfreundschaft in Bremen 1995. In der Verbotsverfügung von Borttscheller hieß es damals, in den Vereinsräumen seien „Aktivitäten der verbotenen PKK für den Bereich Bremen organisiert worden“. 1997 wurden dann die Räume des Nachfolgevereins durchsucht – mit ähnlicher Begründung und nachfolgendem Verbot. Auch dabei waren Mobiliar und Akten beschlagnahmt worden.

Und ob Informationen über Personen sowie über die Vereine von Borttscheller weitergereicht wurden an die türkische Polizei, will das Verwaltungsgericht Stade jetzt untersuchen. So heißt es in dem Gerichtsbeschluß, daß „Beweis erhoben“ werden soll „zu dem Themenkreis: Verbot des Kurdisch-Deutschen-Freundschaftsvereins e.V. in Bremen, seiner Entstehungsgeschichte und den Ereignissen nach dem Verbot, insbesondere dem Verbleib beschlagnahmter Akten und Unterlagen, ferner zu der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang im Vorfeld des Verbots und in der Folgezeit Informationen über den Verein, seine Mitglieder und Sympathisanten sowie deren Aktivitäten direkt ... an türkische Behörden gelangt sind.“

Borttscheller bestreitet den Vorwurf, die Daten weitergegeben zu haben. „Das ist völlig absurd“, sagt sein Sprecher Stefan Luft. „Es wurden weder Angaben über Personen noch über Vereine übergeben.“ Nach seinen Angaben hat sich der Innensenators bereits schriftlich zu dem Fall geäußert. „Der Anwalt der Asylbewerber besteht aber auf der persönlichen Zeugenvernehmung“, so Luft. Das kann das Verwaltungsgericht Stade nicht bestätigen. Laut Gerichtssprecher Hans-Joachim Gärtner handelt es sich bei der Vorladung um einen klaren Beschluß des Verwaltungsgerichts, „das Klärungsbedarf sieht“.

Erheblichen Klärungsbedarf in Sachen PKK sieht auch Rechtsanwalt Schultz, nachdem die Bundesrepublik auf eine Auslieferung des in Rom festgenommenen PKK-Führers Öcalan verzichtet. Er hält es für „extrem widersprüchlich und anachronistisch“, daß nach wie vor kurdische Vereine durchsucht und verboten werden sowie hunderte Strafverfahren laufen. „Die Widersprüche sind nur aufzulösen, wenn man Konsequenzen aus der richtigen politischen Entscheidung der neuen Bundesregierung zieht.“ Schultz fordert darum, die laufenden Verfahren wegen Verstoß gegen das sogenannte PKK-Verbot einzustellen und auch die kurdischen Vereine wieder zuzulassen.

Jens Tittmann