■ Schock, schwere Not oder Erderwärmung durch Herzensprodukte
: Sonntags lachende Gesichter

Wer kennt es nicht, das trostlose Gefühl, in einer überfüllten U- Bahn zu stehen, umgeben von unausgeschlafenen, muffligen Mitbürgern? Jetzt fehlt nur noch ein Sturmtrupp von Fahrkartenkontrolleuren, und die Stimmung nähert sich dem Höhepunkt.

Doch nun gibt es ein Gegenmittel: Sonntag, Isabella Sonntag. Beim Durchblättern des Programmhefts der Münchner Smooth-Jazz-Radiostation „Relax FM“ trat sie per Anzeige in mein Leben. Eine Frau wie ein Frühlingsmorgen, wie ein äsendes Reh in der sonnenüberfluteten Lichtung des Lebens. Eine Frau, die ihren Vornamen in güldenen Lettern – Wunderwerk der Goldschmiedekunst – als Armreif trägt. Und Isabella Sonntag hat eine Vision, ein Ansinnen: „Mein Ansinnen ist, ein Netzwerk lachender Gesichter zu knüpfen.“ Schön und gut, werden Sie sagen, aber wie soll das im Wunderland der trüben Tassen zu schaffen sein? Die Antwort ist so einfach wie alle wahrhaft großen Ideen: mit Hilfe von Isabella Sonntags Herzensprodukt, dem Magazin Lachende Gesichter. „Darin finden Sie Portraits von ganz unterschiedlichen Menschen, (...) deren Lächeln die Welt ein wenig wärmer und Mut dazu macht, das eigene Leben noch eigenverantwortlicher und authentischer zu leben.“

Menschen, die die Welt erwärmen, sind selten geworden in unserer kalten Ellbogengesellschaft. Um so schöner ist es, daß es Sonntagskinder wie Isabella gibt, die das Lachen vieler Menschen in diese Welt tragen wollen. Keine Frage – auch ich wollte mich ein Stück weit erwärmen lassen. Also tat ich wie geheißen und schickte zehn Mark an den als gemeinnützig anerkannten Verein „Relax hilft! e.V.“, der davon sieben Mark mildtätigen Zwecken zuzuführen versprach.

Doch Isabella Sonntags Hoffnung, auch mir ein Lächeln ins Herz legen zu können, muß vorerst als gescheitert gelten. Schon bald erhielt ich statt des sehnlichst erwarteten Magazins einen Brief: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, daß das Magazin ,Lachende Gesichter‘ noch in Arbeit ist. Wir freuen uns über Ihr Interesse und schicken Ihnen die beigelegten 10 DM zurück.“

Schock. Schwere Not. Wer macht mir jetzt Mut, mein Leben noch authentischer zu leben? Und was heißt, das Heft sei „in Arbeit“? Ist dies eine billige Ausrede, um zu vertuschen, daß Isabella Sonntag selbst ein Opfer deutscher Griesgrämigkeit wurde? Gibt es nicht mehr genug Menschen, die noch was zu lachen haben? Oder ist Isabella Sonntag gar zu der Erkenntnis gelangt, daß mit ihren lachenden Gesichtern am Ende sie für die fortschreitende Erderwärmung verantwortlich zu machen wäre? Fragen über Fragen, die einer entschlossenen Antwort bedürfen.

Deshalb mein Appell an Isabella Sonntag, sich nicht beirren zu lassen in der Verfolgung ihres von tiefster Humanität durchdrungenen Ansinnens: Halten Sie durch, Isabella – die Welt braucht Ihr Käse-, pardon, Ihr Cheese-Blatt! Rüdiger Kind