Last-Minute-Flug zum Bosporus

■ Nur äußerst widerstrebend begibt sich Italiens Meister Juventus Turin nach Istanbul, um dort unter massivem Polizeischutz sein Champions-League-Match gegen Galatasaray zu absolvieren

Istanbul/Turin (dpa) – „Benvenuto Juve!“ In großen Lettern und italienischer Sprache richtete das türkische Massenblatt Hürriyet gestern seinen Willkommensgruß an Juventus Turin, doch der italienische Rekordmeister ließ auf sich warten und die Gastgeber im ungewissen. 24 Stunden vor dem Anpfiff der aufgrund der türkisch-italienischen Spannungen wegen des in Rom festgenommenen Abdullah Öcalan um eine Woche verschobenen Champions-League- Partie bei Galatasaray Istanbul erklärte der aus dem Mannschaftskreis unter Druck gesetzte Juve- Generaldirektor Luciano Moggi, daß man erst am Spieltag anreisen und unmittelbar nach der für 20.45 Uhr terminierten Begegnung wieder gen Heimat fliegen werde.

Die Uefa, deren Statuten die Anreise am Abend vor dem Spiel vorschreiben, warnte die Klubführung vor den Folgen ihres Entschlusses. „Wir müssen darauf hinweisen, daß Juventus die volle Verantwortung für alle Risiken trägt, die aus einer Last-Minute-Anreise resultieren“, schrieb die Uefa den Italienern, denen eine hohe Geldstrafe oder möglicherweise gar eine Sperre droht. Begleitet wird der Kurztrip der Turiner von den umfangreichsten Sicherheitsvorkehrungen in der Geschichte der Champions League. Allein 5.000 Soldaten stehen bereit, um den Juve-Troß mit Spielern, Offiziellen und Medienvertretern auf dem Rollfeld abzuholen und über geräumte Straßen ins Stadion „Ali Sami Yen“ zu begleiten. In und um die Arena sollen 22.000 Soldaten, Polizisten und zivile Beamte für einen reibungslosen Ablauf sorgen.

Das ist die größte Prüfung unserer 75jährigen Sport- und Republikgeschichte vor der Welt und vor der internationalen Sportöffentlichkeit“, sagte der für den Sport zuständige Staatsminister Yücel Seckiner. Über Zeitungen und Fernsehen wurden die Fans aufgerufen, außer Fahnen nichts ins Stadion mitzubringen. Münzgeld, Feuerzeuge, Fackeln, Wasserflaschen, Dosen und sogar Mobiltefone würden bereits am Eingang einkassiert. „Was wir brauchen, sind ununterbrochen schreiende, singende, die Fahnen schwenkende, aber vernünftige Fans“, sagte Galatasaray-Trainer Fatih Terim: „Wir wollen unsere Gäste mit Blumen empfangen und mit Toren verabschieden.“

Der Coach hatte am Sonntag seinem Kollegen Marcello Lippi einen „Friedensbesuch“ abgestattet, konnte diesen aber nicht beruhigen. „Das wird kein reguläres Spiel“, prophezeite Lippi und meinte weiter: „An einem Flughafen anzukommen, wo 5.000 Polizisten warten, um dich ins Stadion zu eskortieren, hat nichts mehr mit einem Fußballspiel zu tun.“

Selbst in der Heimat stößt das Verhalten der Turiner zunehmend auf Kritik. Die Gazzetta dello Sport sah hinter den Bedenken der Spieler auch eine Ausrede für ein eventuelles Scheitern und bezeichnete die Reisepläne des Klubs als sportlich unverantwortlich. „Wenn Juve in Istanbul die Chance verpaßt, die Saison zu retten, wem geben sie dann die Schuld? Den Regierungen?“ fragte das Blatt.

Sportlich steht der seit vier Begegnungen sieglose Tabellenfünfte der Serie A in der Tat mit dem Rücken zur Wand. Nach vier Unentschieden in den bisherigen Spielen der Gruppe B rangiert Juventus hinter Trondheim und Galatasaray lediglich auf dem dritten Platz und hat nur bei einem Sieg noch realistische Chancen auf den Viertelfinal-Einzug. Dagegen würde der heimstarke Türkische Meister mit einem Erfolg dem Einzug in die Runde der letzten Acht und damit dem größten sportlichen Erfolg der Klubgeschichte einen großen Schritt näherkommen.