Das Portrait
: Blitzaussteiger aus Beiruts Machtapparat

■ Rafik Hariri

In seiner Jugend deutete nichts auf eine steile Karriere. Rafik Hariri, Sohn einer Kleinbauernfamilie aus dem südlibanesischen Sidon, pinkelte mit Vorliebe in den Garten der Nachbarn. Heute wird ungern an solche Jugendsünden des inzwischen 54jährigen erinnert. Seit sechs Jahren ist Hariri Libanons Regierungschef – noch.

Am Montag verkündete er seine Weigerung, die neue libanesische Regierung zu führen. Grund sei Streit mit dem frisch gewählten Staatspräsidenten Emile Lahud (62). Der versuche seine Autorität zu untergraben, schimpfte Hariri. Verlange er doch Einfluß auf die Besetzung der Ministerposten.

Dabei hatte Hariri seine Dankesrede an Lahud schon in der Tasche. Er sei „seiner Exzellenz dankbar“ für das „unschätzbare Vertrauen“, ihn mit der Regierungsbildung zu beauftragen, heißt es darin. Und er werde „in Kooperation mit dem Präsidenten arbeiten“. Inzwischen dürfte Hariri das Manuskript zerissen haben.

In die Politik kam Hariri als Quereinsteiger. Nach einem Diplom in „Business Administration“ emigrierte er nach Saudi-Arabien. Dort stieg er vom Mathematiklehrer zum Bauunternehmer auf. Seine Freundschaft mit dem späteren König Fahd machte ihn zum Multimilliardär und saudischen Staatsbürger. 1989, in der Endphase des libanesischen Bürgerkriegs, ließ Hariri die überlebenden Mitglieder des Beiruter Parlaments in seinem Privatflugzeug in das saudische Taif fliegen. In einem von Hariri errichteten Palast handelten sie eine „Charta der Nationalen Versöhnung“ aus. Deren Kern war ein ethnisch-religiöser Proporz zwischen Christen, Sunniten und Schiiten. Entsprechen wurde der Sunnit Hariri bald darauf Regierungschef, der Schiit Nabih Birri Parlamentspräsident und der jetzt von Lahud beerbte Christ Elias Hrawi Staatspräsident.

Hariri kamen seine Erfahrungen als Geschäftsmann in seiner in 15 Jahren Bürgerkrieg zerstörten Heimat zugute. Der Regierungschef scheffelte ungeniert Geld – häufig am Rande der Legalität. Das für den Wiederaufbau zuständige Unternehmen Solidere gilt als Hariris erweiterte Brieftasche. Sein Rviale Lahud kündigte nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten an, er werde die Wirtschaft wiederbeleben und die Korroption ausmerzen. Vielleicht einer der wahren Gründe für Hariris Abgang. Thomas Dreger