Peking geht gegen Parteigründer vor

■ Sechs führende Dissidenten verhaftet, die eine Oppositionspartei gegründet hatten. Li Peng: Herausforderung der KP wird nicht geduldet

Peking/Berlin (taz/dpa) – Die chinesischen Behörden haben am Montag abend sechs führende Dissidenten festgenommen, die im Juni an der Gründung der Demokratischen Partei beteiligt waren. Dies berichteten gestern Familienangehörige und das in Hongkong ansässige Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratiebewegung in China. Demnach durchsuchte die Polizei in Peking die Wohnung des 56jährigen Xu Wenli, beschlagnahmte Computer, Faxgerät und Dokumente und nahm den bekanntesten innerhalb der Volksrepublik aktiven Dissidenten fest.

Xu gehörte zur Bewegung der „Mauer der Demokratie“ von 1978/79 und saß dafür zwölf Jahre im Gefängnis. Seit seiner Freilassung beteiligte er sich an Petitionen, setzte sich für andere Dissidenten ein und ist einer der Initiatoren der Demokratischen Partei. In den letzten Monaten war er mehrfach von der Polizei verhört worden. Diesmal legten die Sicherheitsbeamten jedoch einen Haftbefehl vor, worin ihm „Gefährdung der staatlichen Sicherheit“ vorgeworfen wird. Seine Frau befürchtet deshalb jetzt eine längere Inhaftierung.

Wegen „Verschwörung zum Sturz der Regierung“ wurde in der zentralchinesischen Stadt Wuhan der 46jährige Qin Yongmin verhaftet. Auch er ist seit Ende der 70er Jahre in der Demokratiebewegung aktiv. Er saß bereits in den 80er Jahren acht Jahre im Gefängnis und 1994/95 erneut. In Wuhan wurden auch der Landesvorsitzende der Demokratischen Partei der Provinz Hubei, Chen Zhonghe, und sein Büroleiter Xiao Shichang festgenommen. Im ostchinesischen Huangzhou wurden derweil der frühere Studentenführer Wang Youcai und Lai Jinabiao inhaftiert. Das 33jährige Mitglied der Demokratischen Partei hatte gerade die Kommunistische Partei zu Reformen aufgerufen.

Xus Anwalt Zhou Guoqiang erklärte gestern: „Es gibt kein Parteigesetz. Deswegen haben die Behörden keinen Grund, ihn festzunehmen. Eine Partei zu gründen, verstößt nicht gegen das Gesetz.“

Der frühere Ministerpräsident und heutige Vorsitzende des Nationalen Volkskongresses, Li Peng, erteilte unterdessen der Einführung eines pluralistischen Mehrparteiensystems in China eine klare Absage. In einem Interview des Handelsblattes sagt er, es werde keine Organisation oder Partei zugelassen, welche die Führungsrolle der KP in Frage stelle.

Wie das Auswärtige Amt in Bonn gestern gegenüber der taz bestätigte, wird Außenminister Joschka Fischer morgen mit Wei Jingsheng zusammentreffen. Es ist das erste Gespräch des vor einem Jahr in die USA abgeschobenen Dissidenten mit einem Mitglied der Bundesregierung in offizieller Funktion. Sven Hansen