Öko-Supermarkt kämpft mit harten Bandagen

■ Die Firmen im NAX (7 Teil). Die US-Öko-Lebensmittelkette Whole Food

Washington (taz) – Die Mauer besteht aus dem Wurzelwerk von Porree, Möhren und Sellerie; den nächsten Abschnitt bilden die Köpfe von Brokkoli und Salat, dann kommt die Blätterwand aus Spinat- und Kohlblättern. Niemand beherrscht das Schichten von Ware zum Kunstwerk so wie Whole Foods, Amerikas größter Öko-Supermarkt. Aus hohen Tonkrügen ragen zu kunstvollen Türmen arrangiert Zuchini und Auberginen, während sich auf den Tischen im Gang Pyramiden aus Äpfeln und Orangen erheben – alles ohne Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln angebaut, ein Füllhorn des Öko-Landbaus. Brot und Gebäck werden nur aus Vollkornmehl an Ort und Stelle gebacken und in der Metzgerabteilung gibt es Fleisch aus artgerechter Tierhaltung.

In den Gängen drängeln sich alternde Hippies und betuchte Damen, die auf ihre Gesundheit achten. Daß bewußte Ernährung nichts mit Askese zu tun hat, merkt der Kunde spätestens in der großen Bierabteilung. Wer einen Laden der Whole-Food-Kette betritt wähnt sich im Land des Überflusses. Hier ist Einkaufen ein kulinarisches Vergnügen, denn an den Kostproben spart man glatt eine Mahlzeit.

Nichts erinnert an die schrumplige Ware des kleinen Ökokrauters, als der John Mackey 1979 in Austin, Texas, angefangen hatte, wo er unter dem Namen Safer way einen verkramten Laden mit Tofu, Müsli und Vorzugsmilch öffnete. Aus dem Lädchen ist ein Imperium geworden. Whole Foods hat heute 84 Supermärkte in 19 Bundesstaaten, in denen 11.000 Angestellte einen Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar machen. Seit 1986 kaufte Whole Foods 18 Konkurrenten, und allein in den 90er verzehnfachte er seinen Umsatz. Während normale Lebensmittelmärkte um zwei Prozent pro Jahr wachsen, wächst Whole Food jährlich um 25 Prozent. Amerika, das Land des Junk foods ist zugleich das Mekka des Health foods. Im letzten Jahr wurden „organische“ Produkte im Wert von vier Milliarden Dollar verkauft und solche mit der Bezeichnung „natürlich“ für 12 Milliarden Dollar. Mackey hat den Trend genutzt und bedient. Sein Konzept ist der Ökoladen als Supermarkt: „Ich habe noch nie erlebt, daß ein kleiner Laden einen großen schlägt“, erklärt der Unternehmer, der Supermarktketten wie Safeway und A&P als seine Konkurrenz begreift, nicht die letzte noch übriggebliebene Ökoladenkette „Wild Oats“.

„Wenn ich die Zwiebel meines Bewußtseins häute, um zu verstehen, was mich motiviert“, schreibt John Mackey im Jahresbericht, „komme ich bei meinem Bedürfnis an, das Wohlergehen aller Menschen auf Erden sowie das der Erde selbst zu befördern.“ Fünf Prozent des Reinerlöses gehen an Genossenschaftsbetriebe. In Mackeys Ökoimperium darf der Verdienst das Zehnfache des Durchschnittsgehalts nicht übersteigen. Er legt die Bilanzen offen, und Angestellte bewerten ihre Chefs. Zwei Drittel der Mitarbeiter einer Abteilung müssen Neueinstellungen zustimmen.

Entlassungen allerdings gehen leichter. Wer bei Whole Foods arbeitet, unterschreibt einen Vertrag, der die Möglichkeit jederzeitiger Kündigung ohne Angabe von Gründen vorsieht. Von Gewerkschaftlichen hält John Mackey nichts. „Gewerkschaften sind wie Parasiten.“ Als Whole Food letztes Jahr zwei Ökoläden in Los Angeles kaufte, wurden 70 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter gefeuert. Entsprechend verdienen Whole Food angestellte deutlich weniger als normale Supermarktangestellte und können es sich zum Teil nicht leisten, im eigenen Laden einzukaufen. Mackey weigert sich auch die Forderungen der United Farm Workers zu unterstützen, die sich gegen die Hungerlöhne mexikanischer Wanderarbeiter ausspricht. Whole Food spendierte statt dessen einmal fünf Prozent eines Tageserlöses für Krankenversicherungen für Wanderarbeiter.

Auch mit Umweltorganisationen steht Mackey auf Kriegsfuß. Die Forderungen des Earth Island Instituts, Whole Food solle nur Krabben verkaufen, die in schildkrötensicheren Netzen gefangen wurden, lehnte Mackey strikt ab. Damit dürfte er im Widerspruch zu vielen seiner Kunden stehen. Der Aktienkurs aber kletterte in den letzten zwei Jahren von 13 auf 51 Dollar. Peter Tautfest