SPD-Fraktionschef filibustert Steuerpläne

■ Einen Tag nach dem sozialdemokratischen Burgfrieden um die Irrungen der Steuerpolitik öffnet Peter Struck ein neues Faß: Steuervergünstigungen könnten erhalten und eine Millionärsabgabe erhoben we

Bonn (taz) – SPD-Fraktionschef Peter Struck hat für neuen Zündstoff um die Finanzierung der Steuerreform gesorgt. Jede einzelne Punkt der von der rot-grünen Koalition geplanten Schließung von rund 70 Steuerschlupflöchern werde im Bundestag auf den Prüfstand kommen. Struck nannte die sogenannte Teilwertabschreibung, die im Jahr 2002 fünf Milliarden Mark einbringen soll. Es werde auch weiter über eine Millionärsabgabe nachgedacht. Der erst nach parteiinternem Gezänk bestallte Fraktionschef deutete zudem an, daß die Bundesregierung ohne Neuverschuldung nicht auskommen werde.

Nachdem Parteichef und Finanzminister Oskar Lafontaine am Montag erst mit einem Machtwort die Diskussion um die Mehrwertsteuererhöhung für beendet erklärt hatte, hat nun ausgerechnet der Fraktionschef ein Faß aufgemacht. Lafontaine ließ sofort dementieren. An die Abschaffung der Teilwertabschreibung werde nicht gedacht, heißt es im Umkreis des Finanzministers. Was nicht mit ihm abgestimmt sei, habe keine Halbwertzeit.

Von der Teilwertabschreibung profitieren unter anderem mittelständische Unternehmen wie Buchläden und Boutiquen. Nach der geltenden Regelung können sie liegengebliebene Waren abschreiben und so ihre Steuerbelastung drücken. Struck sagte, er habe Verständnis für die Forderung aus der Wirtschaft, diese Abschreibungsmöglichkeit zu erhalten, weil ansonsten manches Unternehmen vom Konkurs bedroht sei. Aus dem Finanzministerium heißt es allerdings: Wenn sich die Unternehmer verspekulierten, müßten sie das auf ihre Kappe nehmen. Sie könnten die übrig gebliebenen Waren zu einem niedrigeren Preis verkaufen.

Struck räumte ein, daß fünf Milliarden Mark „eine Menge Holz“ seien. Er wisse nicht, wie diese Summe anderweitig zu erwirtschaften sei. Denkbar sei für ihn daher, die Abschreibung nicht radikal abzuschaffen, sondern in Stufen. Im Gegenzug müßte über neue Möglichkeiten der Gegenfinanzierung nachgedacht werden. Davon dürften dann aber nicht die Arbeitnehmer betroffen werden, sondern die Wirtschaft, betonte der SPD-Fraktionschef.

Die Regierung steht zunehmend vor dem Problem, ihre Steuerreform solide zu finanzieren. Die durch die Neuregelung der 620-Mark-Jobs entstehenden Einnahmeverluste des Fiskus haben ein Milliardenloch zur Folge, dessen Schließung noch nicht endgültig gesichert ist. Weitere Verbesserungen für die Wirtschaft, wie sie Bundeskanzler Schröder angekündigt hat, würden zu weiteren Fehlbeträgen im Bundeshaushalt führen. Das Finanzministerium erwartet aber ohnehin eine mittelfristige Finanzierungslücke von 20 Milliarden Mark. Zehn Milliarden sollen bereits im kommenden Haushaltsjahr 1999 fehlen. Bisher hieß es, die Steuerreform finanziere sich zu einem großen Teil selbst, weil die von einer Steuerreform ausgehenden Impulse zu mehr Wirtschaftswachstum und dadurch zu mehr Steuereinnahmen führten.

Fraktionschef Struck sagte nun: „Ich halte es für ein Märchen, daß sich die Steuerreform selbst finanziert.“ Das hieße, daß die von der Koalition geplante Steuerentlastung nicht gegenfinanziert wäre. Auf Nachfrage, wie das Haushaltsloch dann zu schließen sei, meinte Struck: „durch die üblichen Finanzierungsmittel“. Also Neuverschuldung. Darauf wollte sich Struck allerdings nicht festlegen. Käme noch Sparen in Frage. Aber dafür sieht Struck „wenig Luft“.

Kürzlich hatte Bundeskanzler Schröder gesagt, Finanzminister Lafontaine habe bei der Neuverschuldung freie Hand. Der verfassungsmäßig mögliche Spielraum beträgt für den 99er Haushalt aber nur 1,3 Milliarden Mark – sonst würde die Neuverschuldung die Summe der staatlichen Investitionen überschreiten. Aber da ist ja noch die Millionärsabgabe. Struck sagte, sie werde im Zuge der Wiedereinführung der Vermögensteuer behandelt. Und was sagen die Grünen dazu? Ihr haushaltspolitischer Sprecher, Oswald Metzger, ließ ausrichten, er wolle sich zu dem Thema nicht äußern. Es sei zu viel im Fluß. Markus Franz