Kommentar
: Fensterreden

■ Deutsch-französischer Gipfel ganz ohne sozialdemokratische Einigkeit

Der Satz von Bundeskanzler Schröder „Es hat Spaß gemacht“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Gipfel von Potsdam keine neue sozialdemokratische Dimension in die deutsch-französischen Beziehungen gebracht hat. Zwar wollen beide Länder erklärtermaßen auch künftig als Motor der EU funktionieren, doch ihre Interessengegensätze sind größer als zuvor.

Die jüngsten deutsch-amerikanischen und deutsch-britischen Fusionen im Industrie- und Bankensektor, die fast alle unter Umgehung Frankreichs geschahen, haben die französische Ängste vor dem, was Globalisierung heißt, verstärkt. Die Absicht der Bonner Regierung, langfristig aus der Atomenergie auszusteigen, bringt Deutschland in direkte Opposition zu seinem bisherigen Atompartner Frankreich. Und sollten die Deutschen ihre Sparwünsche an die EU durchsetzten, würde dies Frankreich schlichtweg ruinieren. Seine Landwirtschaft ist schließlich die größte der EU.

Die gestern in Potsdam verkündete gemeinsame Initiative für einen europäischen Beschäftigungspakt ist im Vergleich zu derartigen Konflikten eine reine Fensterrede. Mit der Abkehr von der bisherigen EU-Agrarpolitik und der Bildung internationaler Industrie- und Finanzblöcke in Deutschland werden massiv Arbeitsplätze vernichtet. Bislang ist nicht ersichtlich, wo und wie der beschäftigungspolitische Appell an die SozialpartnerInnen auch nur einen einzigen Arbeitsplatz schaffen wird.

Hier soll nicht ein System von Subventionen gerechtfertigt werden, das nicht nur wirtschaftlich unvernünftig und international ungerecht, sondern auch ökologisch eine Katastrophe ist. Es soll schon gar nicht die Beibehaltung einer Energiepolitik gefordert werden, die seit Jahrzehnten Kerne spaltet, ohne je die Jahrtausendfrage der Entsorgung geklärt zu haben.

Es soll der Geist von Potsdam und damit der neuen deutsch-französischen Beziehungen ausgemacht werden. Und der ist in der Tat pragmatischer als jener, der die Außenpolitik der Vorgängergeneration prägte – von Mitterrand in Paris und Kohl in Bonn. Wenige Wochen vor Einführung der gemeinsamen europäischen Währung haben sich die SozialdemokratInnen auf beiden Seiten des Rheins darauf verständigt, vor allem Interessenvertretung in nationalen Fragen zu betreiben.

Dorothea Hahn Bericht Seite 2