Odyssee in die Unterwelt

■ Kein dramaturgischer Selbstzweck: In der ambitionierten Veranstaltungsreihe Poesie des Übergangs zeigt das B-Movie, daß der Tod nicht immer schwarz sein muß

Der Tod kommt ins Kino. Nichts neues, sollte man angesichts der Heerscharen von Leichen denken, die uns Action-, Splatter- und Kriegsfilme hinterlassen. Doch die betreiben keine dezidierte Auseinandersetzung mit dem Sterben, der Tod ist hier meist nur dramaturgisches Abfallprodukt. In der Veranstaltungsreihe „Die Poesie des Übergangs“ im B-Movie soll hingegen der Tod als Teil des Lebens beleuchtet werden. Ein Thema, das in der abendländischen Kultur häufig verdrängt wird, schließlich paßt der Tod nicht zum Ideal der Freiheit und Allmacht des Subjekts.

Die Reihe startet mit einem Kurzfilmabend unter dem Titel Auf der Suche nach dem kleinen Tod (Do, 3. November, 20.30 Uhr). Die Produktionen des Circles of Confusion fragen, wo Tod im Leben präsent ist, ob Leben und Tod sich als Gegensätze verstehen lassen oder ob sie nicht eher einander bedingen. Danach (Sa + So, 5. + 6. November, 20.30 Uhr) ist ein morbider Klassiker angesagt: Fritz Langs Der müde Tod von 1921, der das Thema Liebe und Tod in drei Episoden variiert, die im märchenhaften Bagdad, im Venedig der Renaissance und im exotischen China spielen. Die musikalische Begleitung ist allerdings ganz und gar unklassisch: Y-Ton-G erzeugt auf Holz, Stein oder Stahl den Live-Klang. Am gleichen Abend zeigt die Berliner Gruppe Das Reservat homo sapiens in ihrer multimedialen Tanzperformance ein immer anderes Bild des Sterbens unter dem Titel Wenn der Tod eine alte Hure ist?.

Wenn der Tod selbst nicht erfahrbar ist, was ist dann gemeint, wenn von Todeserfahrungen die Rede ist? Um dieser Frage nachzugehen, haben sich das Theater poeson, die Musikgruppe café bizarre und eine Puppenspielerin zusammengetan. Frei nach Jean Cocteau begeben sie sich im Projekt Kinder der Nacht auf Spurensuche (Do, 17. + Fr, 18. + So, 20. Dezember, 20.30 Uhr). Cocteau selbst kommt auch zu Wort mit seinem Film Orphée von 1950 (Sa, 19. Dezember, 20.30 Uhr). In dieser Version der Orpheus-Sage durchquert ein Dichter in einer abenteuerlichen Odyssee das Reich der Imagination und des Todes auf der Suche nach seiner geliebten Frau. Er zeigt den Übergang zwischen Unter- und Oberwelt im Bild des Übergangs von Bewußtem und Unbewußtem. So wird der Zuschauer in ein kunstvoll verschachteltes Labyrinth aus poetischen Zeichen sowie mythologischen Anspielungen gezogen. Verblüffend sind die Tricks, die zum Teil bei technischen Spielereien zufällig entstanden sind.

Mit Derek Jarmans Blue von 1993 schließt das B-Movie am Sonntag, dem 27. Dezember (20.30 Uhr) das düstere Thema und behauptet: „Der Tod ist nicht schwarz, und zusammen mit der Fülle der Farbe Blau enthüllt sich auf der Leinwand die Fülle des Nichts, das dem Tod als vermeintliches Attribut zukommt.“

Oliver Eckers

Weitere Infos unter Tel.: 430 58 67