: Der Krieg der Zukunft
Sportler, Soldaten, Massenmedien: Elfriede Jelineks Sportstück. Christof Nel inszeniert den designten Körper. Ein Interview ■ Von Christiane Kühl
Nach Wolken. Heim, Raststätte oder sie machens alle, Stecken, Stab und Stangl und Er nicht als er zeigt das Schauspielhaus ab Freitag ein weiteres Drama von Elfriede Jelinek: Christof Nel inszeniert Ein Sportstück. Daß Einar Schleefs Inszenierung des Textes an der Wiener Burg bereits als Inszenierung des Jahres gilt, ängstigt den Regisseur nicht – nach Schleefs imposanter Mammutaufwartung gelte es, auch die Vielfalt, das Zarte und die Grabesstille des Textes zu entdecken.
taz: Wurden Sie als Schüler regelmäßig auf den Trimm-Dich-Pfad geschickt?
Christof Nel: Nein, gar nicht. Ich bin sportlich eher ein entfernter Zuschauer.
Weil Ihr Körper nicht mehr als „das notwendige Übel“ ist, wie es im Text heißt?
Das Sportstück ist keine Polemik gegen den Sport. Der Körper als notwendiges Übel ist hier eine Frage nach dem Leben: Angesichts der immer stärker virtuellen Welt wird nach der reellen gefragt. Der Körper ist eher der Sand im Getriebe, der Schmerz, das Widerständige, Nicht-virtuelle, Lebendige. Das Stück geht nicht unbedingt um den Verlust von Wirklichkeit, aber um den Wandel des Wirklichkeitsbegriffs.
Jelinek spricht vom „Tod des Subjekts“. Was erstmal wie ein postmoderner Allgemeinplatz klingt.
Ja, aber wenn Jelinek das sagt, ist es was anderes, weil sie von einem extrem subjektivem Standpunkt aus schreibt. Sie ist in gewissem Sinne eine ganz traditionelle Schreiberin, weil sich ihr Schreiben aus der eigenen Verletztheit herleitet. Wenn sie vom Tod des Subjekts spricht, konstatiert sie weniger als daß sie eine Spannung markiert.
Im Stück wird den Dichtern vorgeworfen, daß sie den Menschen so fremd seien, daß sie nicht einmal deren Verschwinden bemerken würden. Hat das Theater mehr Kontakt zur Welt?
Das Theater der Dramatiker ist inzwischen der Hort von Ganzheitssehnsüchten. Das bürgerliche Theater ist auf die Darstellung des Individuums und seiner Beziehungsgeflechte hingebaut. Es ist eher ein Fluchtpunkt aus der medialen Welt.
Was überzeugt Sie an der Parallelisierung von Sport und Krieg?
Das Sportstück behandelt Sport als Masseninszenierung und fragt, ob das ein Krieg ist, der gegen das Volk geführt wird, den das Volk gegen sich selber führt. Es geht da um die Verquickung von Sport und Massenmedien: Jeder will die Erotik haben, wie sie vom Sportler qua Bildschirm behauptet wird. Da wird man weggeführt von sich selbst, wenn man nur noch wie sein Idol sein will. Es wird die Frage gestellt, ob das der Krieg der Zukunft ist: daß die Körper designed werden.
Der Sport als Massenphänomen und damit „Rücktritt in die Unmündigkeit“, wie der Text behauptet?
Ja, aber gleichzeitig muß man aufpassen, daß man das nicht nur negativ sieht. Es gibt im Stück einen Satz, der heißt: „Was sehen wir auf dem Bildschirm: Menschen, die spielen. Na bitte!“, und das Spielen hat ja auch was utopisches. Vielleicht eröffnet die Entsubjektivierung etwas, was wir noch gar nicht wissen: eine spielende Gesellschaft. Die Generation, die mit dem Internet aufwächst, hat auch nicht mehr soviel von der subjektiven Enge.
Was reizte Sie an der Textarbeit?
Jelinek hat eine Technik, extrem zu verdichten, wie es eigentlich nur der Traum macht. Ganz viele Schichten von Denken und Wirklichkeit sind gleichzeitig vorhanden. Es ist ungeheuer schwierig, diesen Text auf der Bühne hinzukriegen: wie man ihn spricht, in den Raum reinstellt, damit möglichst viel von dem komponierten Gleichzeitigen darin verstanden wird.
Wie sind Sie das angegangen?
Der Text durchläuft auf unserer Bühne sehr viele Situationen. Es gibt nicht einen Einheitsraum, wo man als Zuschauer den ganzen Abend auf einen Denkansatz glotzt. Da muß ich nichts erfinden: Der Reichtum ist im Text angelegt.
Premiere: Freitag, 4. Dezember, 19.30 Uhr, Schauspielhaus
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