„Auch eine Art Gottesdienst“

■ „Schachar“, das erste jüdische Theater Hamburgs gegründet

Schon über das Datum der Premiere der Debüt-Produktion gab es Diskussionen: Wie man am heiligen Schabbat arbeiten könne? fragten einige Förderer pikiert. „Aber für uns war das auch eine Art des Gottesdienstes – keine Arbeit“, verteidigt Daniel Haw die Erstaufführung von Mascha Tov! Ende November im Haus Drei. Die meisten scheint das überzeugt zu haben: Am Ende konnte der Regisseur fast alle UnterstützerInnen des jüdischen Theaters Schachar zur musikalischen Revue mit Texten von Mascha Kaléko begrüßen.

Die sechs SchauspielerInnen, ein Musiker und Haw wollen zeigen: „Wir sind da.“ Nicht: „Wir sind noch da“, wie der 40jährige betont. 60 Jahre nach der Zerstörung der jüdischen Kultur in Hamburg durch die Nazis ist diese Initiative die erste in Norddeutschland und die dritte bundesweit. „Viele zeigen sich nicht öffentlich als Juden“, weiß Haw, „aus Angst oder einfach aus Gewohnheit.“ Gedenkfeiern, bei denen sich der Hamburger Bürgermeister die Kipa auf den Kopf setzt, änderten nichts daran, daß er selbst mit der Kipa auf der Straße komisch angesehen werde; „in Paris ist das völlig normal“.

„Normal“ sind auch die AutorInnen, die Schachar auf die Bühne bringen will: Von Michael Beer bis Frank Wedekind, von George Tabori bis Woody Allen. „Jüdisch ist in ihren Werken die Verbindung von Tragik und Komödie, ein gewisser Fatalismus gepaart mit Humor“, erläutert Haw. Dazu sollen Stücke über den Nationalsozialismus kommen, Werke der israelischen Avantgarde und der palästinensischen. „Wir wollen zeigen, daß es dazu auch unter Juden unterschiedliche Meinungen gibt“, betont Haw und macht sich schon auf die nächsten Diskussionen gefaßt.

Die Mitglieder von Schachar (zu deutsch „Morgenröte“), unter denen auch zwei nicht-jüdische SchauspielerInnen sind, sehen sich als Pioniere – wie die MitarbeiterInnen eines Kibbuzes. Deren sozialistischer Geist soll das Theater prägen: „Wir arbeiten ohne Hierarchien und alle für denselben Lohn. „Letzterer ist derzeit gering, denn „normal“ sind auch die Finanzierungsprobleme des Theaters. „Bei der Kulturbehörde sagte man uns gleich: ,Tolle Idee – aber Zuschuß gibt's nicht.“ Auch die jüdische Gemeinde hat kein Geld übrig, doch ein Förderverein mit jüdischen Geschäftsleuten unterstützt Schachar. Wenn sich genügend Sponsoren finden, will das Ensemble Ende 1999 in einem eigenen 250-Plätze-Haus im neuen Kulturzentrum auf dem Altonaer Güterbahnhof spielen.

Heike Dierbach

„Mascha Tov!“ läuft noch am 10. und 18. Dezember um 20 Uhr im Haus Drei, Hospitalstr. 107.