Der Kongreß entdeckt die Frauen

■ Bei der Kölner Absolventenmesse trifft sich die Großindustrie mit JungakademikerInnen. Erstmals gab es eine eigenes Frauen-Forum – für die „Gewinnerinnen des Arbeitsmarkts“

Düsseldorf (taz) – Kurz bevor der Zug in Köln hält, geht ein junger Mann zur Toilette. Als er wiederkommt, trägt er über dem mattblauen Hemd eine rote Krawatte. „Redest du eigentlich französisch mit dem?“ fragt sein Freund. „Ne, englisch. Das Vorgespräch war in Englisch“, gibt sich der Mittzwanziger sicher und fügt leise hinzu: „Französisch kann ich gar nicht.“

Der Zug hält an der Kölner Messe, die beiden jungen Herren verschwinden im Pulk der jungen Jobsucher, die auf dem zehnten Deutschen Absolventen-Kongreß ihr Glück versuchen. 400 Aussteller, meist Unternehmen der Großindustrie, warten auf Herren in Anthrazit und vorwiegend schwarzgewandete Damen. „Ich will mich informieren, welche Jobs es gibt und wie ich mich am besten bei Firmen bewerbe“, sagt die angehende Betriebswirtin Celina D.

Einmal im Jahr treffen sich Firmen und Hochqualifizierte in Köln. Für 39 Mark kann jeder Studi ab dem 5. Semester die Messe besuchen. Allerdings richtet sich der mit rund 12.000 Besuchern größte Nachwuchskongreß an Ingenieure, Informatiker und Wirtschaftswissenschaftler. Die Branchengiganten sind umlagert. An den neongrell erleuchteten Ständen von Ford, VW, Mannesmann, Siemens stehen die Absolventen Schlange, um Bewerbungsmappen abzugeben – und, wenn's geht, persönliche Kontakte zu knüpfen. „Bei den Traumfirmen ist der Andrang eben sehr groß“, nimmt Maschinenbauer Patrick H. (25) das gelassen. Silke D. sieht die Marktriesen dagegen skeptisch. „Ich wollte lieber in eine mittelständische Firma.“ Sie ist enttäuscht, daß ihre Unternehmensgröße nicht vertreten ist. Die Betriebswirtin findet die Gespräche zu unverbindlich: „Oft heißt es: ,Schicken sie uns ihre Bewerbung‘ – das ist der übliche Weg.“ Sie fragt sich nun, warum sie extra aus Augsburg angereist ist.

Früher oder später landen die Examinierten am Stand des Kölner Arbeitsamtes. Etwa 40 Prozent aller Besucher kommen hierher, schätzt Bernd Velhagen, der Leiter des Hochschulzentrums beim Arbeitsamt. „Die Absolventen fragen uns, wie sie die verlangten Qualifikationen, etwa Sprachkenntnisse oder Berufspraktika, erwerben können.“ Die Firmen schreiben ihre Stellen nicht mehr für einen bestimmten Studienabschluß aus, sondern für ein Tätigkeitsprofil. So kommt der Biologe auch mal in der PR-Abteilung eines Umweltunternehmens unter. „Da sind Transferleistungen und Zusatzqualifikationen gefragt“, erklärt Velhagen.

Zu seinem 10. Jubiläum hat der Kongreß die Frauen entdeckt – die „Gewinnerinnen des Arbeitsmarktes“, wie Ute Tischler von der Bundesanstalt für Arbeit meint. Noch sind zwar mehr Akademikerinnen arbeitslos als ihre männlichen Kollegen. Doch der boomende Sektor Dienstleistung verspricht Besserung. Da haben Frauen die Nase vorn, nicht nur wegen der von ihnen bevorzugten kulturwissenschaftlichen Fächer. „Die Consultants haben entdeckt, daß Frauen sehr gut beraten können“, ermutigt Tischler die anwesenden Frauen, „und auch bei den Managementqualifikationen schneiden Frauen besser ab als Männer.“ Jede zehnte Akademikerin arbeitet in einer Führungsposition – wenn auch noch immer mit weniger Gehalt als die Männer.

Die Aufbruchstimmung beim „Frauen-Forum“ herrscht nicht überall. „Wer einfach Unternehmer werden will, aber keine Geschäftsidee hat, der sollte es besser lassen“, redet Hans-Hermann Jürgensmann vom Deutschen Industrie- und Handelstag vor einer überschaubaren Menge von Existenzgründern Klartext. Im „Werbehörsaal“, auch eine Jubiläumsneuerung, verrät Bernd M. Michael vom Branchenführer grey, was aggressiver Wettbewerb ist: „Wenn sie nicht bereit sind zu fighten, sind sie in dieser Branche falsch. Ein Teil des Einkommens ist auch immer Schmerzensgeld für Mobbing.“ Isabelle Siemes