„Wir haben ein Kommunikationsproblem“

■ Götz Weisener, Geschäftsführer der St. Pauli Marketing, über Vermarktung und deren Grenzen

Seit sechs Jahren hat der FC St. Pauli seinen Marketing-Bereich ausgelagert. Die FC St. Pauli Marketing GmbH kümmert sich seitdem un Sponsoren, Bandenwerbung und Fanartikelverkauf. Die taz sprach mit dem Geschäftsführer Götz Weisener.

taz: Herr Weisener, wie gut verdient die FC St. Pauli Marketing?

Götz Weisener: Im Moment machen wir einen Umsatz von knapp 4 Millionen Mark. Unter dem Strich bleibt davon ungefähr die Hälfte übrig, was von der Rentabilität ganz ansehnlich ist.

Und womit verdienen Sie Ihr Geld?

Es gibt ein paar Bereiche, die sehr umsatzträchtig sind. Das ist in erster Linie das Hauptsponsoring mit dem Leistungspaket, das man verkaufen kann. Dazu kommt die Stadionvermarktung, also Banden, Anzeigentafel und alles drumherum. Da sind wir ausverkauft, trotz der mageren sportlichen Situation. Als drittes kann man noch alles drumherum mit Werbung versehen.

Und Sie vertreiben die Fanartikel des FC St. Pauli.

Das Merchandising, das immer als großer Glücks- und Goldbringer gesehen wird, ist allerdings eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Wir haben nie gelogen, was die Umsätze angeht. Da bleibt eine Umsatzrentabilität zwischen 15 und 20 Prozent. Dafür kümmern sich zwei Leute um Versandhandel und Lager.

Es gibt doch aber auch Dienstleister, die ein Call-Center für Bundesliga-Vereine einrichten, um das Merchandising abzuwickeln.

Mit denen haben wir zwar Gespräche geführt, wollen das aber eigentlich nicht einführen. Solange wir das selbst bewältigen können und solange wir sagen können, daß die Leute direkt den Verein anrufen oder anschreiben können, ist es au-thentischer, als wenn man eine künstliche Umgebung schafft.

Zwei Millionen Mark ist eine ordentliche Summe. Warum hat der Verein trotzdem sowenig Geld?

Im Moment kommen wir uns weniger wie ein Marketing- und mehr wie ein Inkassounternehmen für den Verein vor. So ähnlich wie ein Füllhorn. Wir müssen hier Geld einnehmen, das wird ans Millerntor rübergeschoben. Dabei hat der Verein nicht verstanden, wie schwer es ist, Geld zu verdienen, aber er weiß wunderbar, wie er es wieder ausgeben kann. Wir reden uns hier den Mund fusselig, um eine Werbebande im Stadion für 20.000 Mark zu verkaufen. Was sind 20.000 Mark da drüben? Das ist ein Handy und ein geleastes Auto pro Jahr.

Immer wieder das gleiche Problem: Der FC St. Pauli kann nicht richtig mit Geld umgehen. An welchem Punkt im Verein würden Sie zunächst ansetzen?

Bei der Profimannschaft. Ich bin nicht derjenige, der den sportlichen Bereich beurteilen kann, aber ich kann beurteilen, ob ein Gehaltsgefüge gesund ist. Bei uns ist es nicht gesund. Da wurden in der Vergangenheit Konzessionen gemacht, die nicht hätten sein müssen.

Aber ein guter Kader ist doch das Gerüst des ganzen Klubs.

Bei anderen Vereinen mag es üblich sein, durch das Zusammenkaufen von Wettbewerbsvorteilen den Erfolg suchen zu müssen. Beim FC St. Pauli gehört auch eine Einstellung dazu, das ist viel wichtiger. Es ist im Zweifel auch mehr von Erfolg gekrönt, wenn man Leuten eine Chance gibt, sich zu entwickeln und etwas im sozialen Gebilde St. Pauli darzustellen. Wir müssen auf den Nachwuchs setzen, denn wir sind der Verein, der mit wenig Geld auskommen muß.

Und wenn die Marketing einfach mehr Geld verdient?

Ja, wie denn bitteschön? Mit dem miesen Fußball wird man nicht mehr Leute ins Stadion bringen, mehr Fernsehgelder gibt es auch nicht, und in der Vermarktung stoßen wir an Grenzen. Es gibt ein Preisgefüge für Hauptsponsoring, es gibt eines für Bandenwerbung, und wenn wir da ausgereizt sind, dann sind wir es halt. Peng! Da muß man dann irgendwann aufwachen und sagne: Dann müssen wir weniger Geld ausgeben.

Warum erklären Sie das nicht einfach einmal dem Vorstand des Vereins?

Ich glaube, wir haben ein Kommunikationsproblem. Man hätte in der Vergangenheit vieles gemeinschaftlicher machen müssen. Wenn ich an das Konzept 2000 denke, mit Aufbau von unten über Amateure, Jugendarbeit und Profiteam, aber auch das Prinzip der hauptamtlichen Geschäftsführer, das gleichberechtigt einen Leiter Lizenz, einen sportlichen Trainer und einen kaufmännisch orientierten Marketingmenschen vorsieht, ist das auf dem Papier ganz große Klasse. Aber es lebt erst dann, wenn die handelnden Personen auch gut miteinander agieren können.

Und was ist daran falsch?

Es hat nie so funktioniert. Ich kann mich bis heute nicht an eine Sitzung mit Herrn Kleppinger oder Herrn Beutel erinnern, auf der wir die Zukunft besprochen oder Aktivitäten abgestimmt hätten.

Wie werden sich die Aktivitäten der FC St. Pauli Marketing in Zukunft entwickeln?

Wenn das neue Stadion lukrativ sein soll, müssen wir uns neue Zuschauerkreise erschließen. Wir müssen den Spagat zwischen der Vermarktung und den Fans schaffen. Das kann man nur über eine Vereinsphilosophie, die die Werte des FC St. Pauli vermittelt. Die erste Stufe dieses ganzheitlichen Konzepts war die Neugestaltung der Internetseiten, und sukzessive werden Stadionzeitung und Öffentlichkeitsarbeit folgen. Wir müssen einfach transparenter werden.

Sie wirken bei all dem so emotionslos. Interessieren Sie sich eigentlich für Fußball?

Natürlich! Und ich könnte das Heulen kriegen, wenn ich mir die Spiele anschaue. Aber zuviel Emotion und Fußballseele sind in diesem Betrieb schädlich.

Interview: Eberhard Spohd