Christoph Biermann
: In Fußballand

■ Warum sich kein Mensch für den DFB-Pokal interessiert

Nach dem Pokalfinale zwischen Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 hatte ich keine Lust mehr. Oder war es das zwischen dem 1. FC Köln und Werder Bremen? Beide endeten mit Elfmeterschießen, und als Litti verschoß, hat es aus Kübeln gegossen. Ich bin glücklicherweise nicht naß geworden, weil mein Platz unter dem Tribünendach des Berliner Olympiastadions war. Aber die Nase voll vom Pokalfinale hatte ich trotzdem.

Irgendwie klappt das mit der Mythenproduktion nicht, wenn es in Deutschland um den Pokalwettbewerb geht. Zwar bleiben die heldenhaften Stürmer oder katzenhaften Torhüter irgendwelcher Zweit- oder Drittligisten unvergessen, wenn sie mithelfen, einen Bundesligisten aus dem Wettbewerb zu expedieren. Oder auch nur große Momente haben. Mir wird ein Tor von Jochen Abel ungefähr aus dem Jahr 1975 unvergessen bleiben, das er für den damaligen Zweitligisten Westfalia Herne gegen den 1. FC Kaiserslautern erzielte. Und wenn die Torschützen im Monat Dezember nicht immer um ein „Tor des Monats“ betrogen würden, weil im Januar das „Tor des Jahres“ und nicht das aus dem Dezember ermittelt wird, wäre der großartige Spannschuß in den Winkel natürlich solchermaßen geehrt worden. Aber fünf Kilometer hinter der Stadtgrenze interessiert sich für solche Höhepunkte der Fußballgeschichte schon niemand mehr. Oder kann sich irgend jemand jenseits von Siegen noch daran erinnern, wie der Triumphator des Spiels gegen den SC Freiburg im diesjährigen Pokalwettbewerb hieß? Ich auch nicht, und ich war dabei.

In England, so wissen wir schon lange, ist der Pokalwettbewerb fast wichtiger als die Meisterschaft. Jedenfalls solange man nicht ausgeschieden ist. Das hat wie üblich mit Traditionen zu tun, denn der Cup ist dort der älteste Wettbewerb. In Deutschland wurde der Pokal von den Nazis ins Leben gerufen und hieß zunächst nach dem „Reichssportführer“ Tschammer-Pokal. Aber kann das ein Grund sein, den Wettbewerb immer noch so respektlos zu behandeln?

Zugegeben, die feste Vergabe des Pokalfinales nach Berlin war ein Fortschritt. Jetzt hat man wenigstens ein Ziel. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, auch wenn man weiß, daß sich im verdammten Olympiastadion kein Mensch ein Fußballspiel vernünftig anschauen kann. Aber das kann man in Wembley auch nicht. Zugegeben auch, daß die Pokalauslosung lebendige Fernsehgeschichte ist wie die Ziehung der Lottozahlen. Schlicht und gut nicht zuletzt durch die Entsendung wunderbar spießiger DFB- Funktionäre, die mit zittrigen Fingern Namensschildchen in richtiger Reihenfolge abzulegen versuchen.

Sonst ist aber nichts mehr zuzugeben, denn der Rest ist trostlos. Bereits die schematische Zulosung, daß Profis den sogenannten Amateuren zugeordnet werden, was die angeblich gut finden, verhindert doch, daß sich die sogenannten Amateure gegen andere sogenannte Amateure von Runde zu Runde nach vorne schummeln, während Profis von Profis rausgeworfen werden. Demnächst sollen Restbestände von wildem Durcheinander auch noch durch eine aseptische Setzliste beseitigt werden. Oh je!

Die größte Sünde aber ist die Terminierung der Pokalspiele. Brav wird die erste Pokalrunde als Opener am Wochenende vor dem Start der Bundesligasaison angesetzt. Da bekommen Kleinvereine mit lustigen Namen, über die sich ZDF-Töpperwien stundenlang beölen kann, von Bundesligisten die Hütte vollgehauen. Und dann verschwinden die Pokalspiele ruckzuck im Niemandsland irgendwelcher Wochentage. Wo sonst Europapokal oder Länderspiele ausgetragen werden, kickt auf einmal Oberhausen gegen Mönchengladbach, und das Publikum setzt das gleich mal auf den Diätplan. Was heißt: Streicht es. Sollte noch ein unterklassiger Verein mitspielen, wird das Spiel um ein Uhr mittags angepfiffen, weil es kein Flutlicht gibt, aber vielleicht eine Verlängerung.

So wird weitgehend unter dem Radar öffentlicher Wahrnehmung dahergekickt, bis zum großen Finale in Berlin. Das hat eine ähnliche Atmosphäre, also Mischung aus überdimensionalem Kindergeburtstag, Kegelausflug und Tag der offenen Tür in einem Autohaus, wie sie der DFB auch bei Länderspielen zu inszenieren versteht. Am Ende wird todsicher „We Are The Champions“ gespielt. Dann will man nur noch nach Hause. Und irgendwann auch nicht mehr wiederkommen.