Das Portrait
: Dinosaurier der türkischen Politik

■ Bülent Ecevit

Bülent Ecevit soll eine neue türkische Regierung bilden Foto: rtr

Die 70er Jahre feiern ein Comeback – nicht nur mit Glam-Rock und Plateauschuhen, sondern auch in Form alternder Politiker. Am Mittwoch abend beauftragte der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel den Vorsitzenden der Partei der Demokratischen Linken (DSP), Bülent Ecevit, mit der Bildung der 56. Regierung in der 75jährigen Geschichte der Türkischen Republik. Der 73jährige ist ein Veteran der türkischen Politik. Seine Hochzeit lag in den 70ern.

Der Sozialdemokrat mit Affinät zum Nationalismus war in der Dekade drei Mal Ministerpräsident. 1974 gab er den türkischen Truppen den Befehl zum Einmarsch in Nordzypern. Bis heute gilt Ecevit in der Zypern-Frage als kompromißlos, ebenso gegenüber Autonomiebestrebungen der Kurden.

In seiner Jugend interessierte sich Ecevit mehr für Kultur als für Politik. Er studierte englische Literatur in Ankara und Kunstgeschichte in London. Mit 25 trat er der von Republikgründer Mustafa Kemal (Atatürk) ins Leben gerufenen Republikanischen Volkspartei (CHP) bei. 1961 übernahm er als Arbeitsminister sein erstes Regierungsamt.

Danach wurde er Generalsekretär der CHP, und nachdem er sich – von Altkemalisten als „Sozialromantiker“ gescholten – durchgesetzt hatte, Parteichef. Der CHP verordnete er einen Kurs „links von der Mitte“. Eine Annäherung der Türkei an die Europäische Wirtschaftsunion lehnte er ab. Begründung: Die Gemeinschaft sei ein Instrument kapitalistischer Ausbeutung.

Mit dieser Linie machte sich Ecevit bei den mächtigen Generälen des Landes unbeliebt. Nach dem Militärputsch 1980 landete er vorübergehend im Gefängnis. Trotz Politikverbots gründete Ecevit die Partei der Demokratischen Linken (DSP), als deren Vorsitzende er Anfangs seine Frau vorschob.

Zuletzt war der Politdinosaurier Vizepremier unter Mesut Yilmaz, dem Vorsitzenden der Mutterlandspartei. Gemeinsam mit ihm und der rivalisierenden Vorsitzenden der Partei des Rechten Weges, Tansu Çiller, soll Ecevit nun eine neue Regierung bilden. Der Dauerstreit zwischen Yilmaz und Çiller läßt für sie nur eine kurze Lebensdauer erwarten. Ob sich Ecevit danach auf das Altenteil zurückziehen wird, ist fraglich. Schon einmal überschrieben Kollegen einen Artikel mit „Ecevits Karriere am Ende“. Das war vor zwölf Jahren. Thomas Dreger