„Richter Gnädig“ findet gnädige Richter

■ Bundesgerichtshof hebt Strafurteil gegen zu milden Amtsrichter auf

Freiburg (taz) – Nur wenn ein Richter aus „sachfremden Gründen“ ein Verfahren einstellt, kommt der Vorwurf der Rechtsbeugung in Betracht. Mit dieser Begründung hob der Bundesgerichtshof (BGH) gestern ein Strafurteil gegen einen Bayreuther Amtsrichter wieder auf.

Der Richter hatte vor einigen Jahren gegen vier Temposünder nur ein Bußgeld ausgesprochen, statt ein Fahrverbot zu verhängen, wie im Regelfall vorgesehen. In allen vier Fällen monierte dies die Oberinstanz und zwang ihn zu einer erneuten Entscheidung. Doch das mit dem Fahrverbot wollte der schnell als „Richter Gnädig“ Verspottete nicht akzeptieren und stellte flugs alle vier Verfahren ein. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, daß ihm dieses Vorgehen fast Amt und Pensionsansprüche kosten würde. Das Landgericht Bayreuth verurteilte ihn wegen „Rechtsbeugung“ zu einer 18monatigen Bewährungsstrafe. Besonders angelastet wurde ihm, daß er unter Kollegen geäußert haben soll: „Es interessiert mich nicht, was die Herren vom Bayerischen Obersten Landesgericht sagen.“

Nun aber hob der BGH das Bayreuther Urteil wieder auf und schalt seinerseits das dortige Landgericht für seine „geradezu groteske“ Entscheidung. Ein Richter sei nämlich in seiner Entscheidungsfindung unabhängig und gerade nicht an die Haltung der Obergerichte gebunden. Entscheidend sei, daß er dabei nicht aus sachfremden Gesichtspunkten handele. Ob im Fall von „Richter Gnädig“ solche „sachfremden Beweggründe“ eine Rolle spielten, muß nun das Landgericht in Weiden verhandeln (Az.: 1 StR 240/98). Christian Rath