Killerpilze gegen Drogenhandel

Mit Hilfe der UN entwickeln ehemalige sowjetische B-Waffen- Forscher in Usbekistan biologische Vernichtungsmittel für Opiumpflanzen. Die ersten Killerpilze für Klatschmohn werden bereits getestet. Gegen Cannabis und Kokasträucher werden wirksame Pilze noch gesucht  ■ Von Wolfgang Löhr

Für den weltweiten Krieg gegen Drogen wird eine neue Waffe entwickelt. Mycoherbizid heißt das Kampfmittel, das derzeit schon in US-amerikanischen Forschungslaboren und in einem ehemaligen sowjetischen B-Waffen-Institut in Usbekistan getestet wird. Das Ziel ist die „kontrollierte Vernichtung“ von illegalen Pflanzungen, die der Herstellung von Drogen dienen. Mit speziellen Pilzen, die nur bestimmte Pflanzen vernichten, soll der Rauschgifthandel schon in den Anbaugebieten bekämpft werden.

Killerpilze für Schlafmohn werden bereits im Freiland auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Gesucht werden jetzt noch Pilze, die gegen Cannabis und Kokasträucher eingesetzt werden können. Während der US-Kongreß erst vor wenigen Wochen rund 37 Millionen Mark für Forschungsprojekte zur Vernichtung von Drogenpflanzen bewilligte – sechzehn Millionen davon fließen in die Entwicklung von Mycoherbiziden –, warnen Wissenschaftler vor den möglichen Folgen einer unkontrollierten Vermehrung der neuen Superwaffe.

In Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan, wird das Pilzprojekt als Geheimsache behandelt. „Mir ist nicht erlaubt, über die Forschungsarbeiten mit den Pilzen zu reden“, verweigerte Rustam Makhmudowitsch, Direktor am Institut für Genetik in Taschkent, gegenüber der Zeitung Sunday Times die Auskunft. Daß an seinem Institut seit längerem schon mit einem Pilz gearbeitet wird, der die zur Opiumgewinnung genutzten Mohnpflanzen befällt, ist erst durch einen von dem britischen Blatt zitierten vertraulichen Bericht öffentlich geworden. Demnach sollen die Pläne für eine großtechnische Produktion des Pilzes bereits sehr weit fortgeschritten sein.

In Großbritannien werden usbekische Wissenschaftler ausgebildet, um eine entsprechende Fermentationsanlage zu bauen. Pleospora papaveracea, so der Name des Pilzes, hat Ähnlichkeit mit dem auf altem Brot zu findenden Schimmelpilz. Infizierte Mohnpflanzen zeigen schon nach drei Tagen die ersten Krankheitssymptome. Der als grünlichschwarzes Pulver sichtbare Pilz zerstört Blätter und Stengel. Bei starkem Befall kann die Pflanze innerhalb weniger Wochen absterben.

Das Versuchsobjekt Pleospora papaveracea ist noch ein Überbleibsel aus dem geheimen B-Waffen-Programm der Sowjetunion. Das in den fünfziger Jahren errichtete Institut hatte die Aufgabe, Krankheitserreger für Nutzpflanzen zu untersuchen und auf ihre Tauglichkeit als „biologischer Kampfstoff“ hin zu prüfen. „In der Sowjetperiode waren wir ausschließlich mit militärischer Forschung beschäftigt“, bestätigte Institutsdirektor Rustam Makhmudowitsch. In den späten achtziger Jahren wurde eine besonders aggressive Variante des Pilzes Pleospora papaveracea entwickelt. Normalerweise ist der fast weltweit verbreitete Pilz harmlos, auch für Mohnpflanzen. Der neue Stamm jedoch kann die Mohnpflanzen zum Absterben bringen.

Als Usbekistan 1991 unabhängig wurde, wäre der Mohnkiller beinahe in Vergessenheit geraten. Am Forschungsinstitut herrschte Chaos, die abziehenden Russen hatten die meisten schriftlichen Unterlagen mitgenommen. Nachdem das Institut ein Jahr später als zivile Einrichtung wiedereröffnet wurde, entdeckten die Forscher in der eingefrorenen Probensammlung den Pilzstamm. Eher zufällig erfuhr ein britischer Pflanzenpathologe, der auch als Berater für das „United Nations Drug Control Programm“ (UNDCP) arbeitete, von dem Pilz. Über die Organisation der Vereinten Nationen wurde dann sehr schnell eine internationale Zusammenarbeit organisiert. Mit rund 800.000 Mark, heißt es, unterstützen britische und amerikanische Behörden das Institut in Taschkent.

Als Ausgangsbasis für die Bekämpfung des Drogenhandels scheint die zentralasiatische Republik besonders gut geeignet zu sein, da die Rohstoffe für die Opium- und Heroinproduktion zunehmend aus den südlich von Usbekistan liegenden Ländern Afghanistan, Iran und Pakistan kommen. Derzeit wird der Pilz auf den illegalen Opiumfeldern in Usbekistan getestet. Die Opiumfelder sind relativ leicht mit dem Pilz zu infizieren. Mit Flugzeugen können die Pilzsporen nicht nur sehr schnell auf große Flächen ausgestreut werden. Von Vorteil ist auch, daß die Pilze selbst für ihre Vermehrung sorgen. Deshalb wird aber auch befürchtet, daß die Pilze ohne Zustimmung der jeweiligen Länder eingesetzt werden könnten.

Den Vorwurf, die UN- Organisation unterstütze die Entwicklung von biologischen Waffen, wies ein Sprecher des in Wien beheimateten „UN Office for Drug Control and Crime Prevention“ (ODCCP) zurück. „Weder das Institut für Genetik in Taschkent noch das UNDCP sind in die Entwicklung von biologischen Waffen involviert“, teilte der ODCCP-Sprecher Sandro Tucci mit. Eingestehen mußte Tucci indes, daß das UNDCP in Taschkent die weitere Entwicklung des Mohnpilzes finanziell unterstützt – mit Spendengeldern. Und in deutlichem Widerspruch zu den Berichten aus Usbekistan steht die Aussage des ODCCP-Sprechers, daß das Projekt erst begonnen habe und daß auch in Bälde keine verwertbaren Ergebnisse zu erwarten seien.

Ein zweites Projekt zur Entwicklung eines Pilzes gegen Opiumpflanzen wird unter der Regie des US-Landwirtschaftsministerium durchgeführt. In den Labors des staatlichen Agricultural Research Service ist auch bereits ein speziell gegen Mohn wirksamer Pilz identifiziert worden. Ob es sich dabei um die Variante aus Usbekistan handelt, wurde nicht bekannt. Als Forschungsziel wird dort der „weltweite“ Einsatz zur Verhinderung der Opiumproduktion genannt.

Bevor die Killerpilze jedoch eingesetzt werden können, gilt es, auf jeden Fall noch Sicherheitsfragen zu klären. Zwar sind angeblich bisher keine unerwünscnten Nebenwirkungen aufgetreten. Auch soll der Pilzstamm ausschließlich Mohnpflanzen attackieren. Doch es bestehe immer die Gefahr, daß der Pilz auch andere Pflanzenarten schädigt, warnt Paul Arriola, Biologe am Elmhurst College im US-Bundesstaat Illinois. Die freigesetzten Pilze könnten sich anderen Wirtspflanzen anpassen. Was passiert, fragt Arriola, wenn die Mycoherbizide für die Pharmaindustrie wichtige Drogenpflanzen vernichten?

Wolfgang Löhr, 43, gelernter Elektromechaniker und Biologe, ist Wissenschaftsredakteur der taz