■ H.G. Hollein
: Wißbegier

Die Frau, mit der ich lebe, stellt manchmal unvermittelt Fragen. Das ist nicht immer angenehm. „Findest du mich eigentlich zu klein?“ mag Außenstehenden als unverfängliche Erkundigung erscheinen, ist aber der von der Gefährtin perfekt beherrschte Einstieg in ein inquisitorisches Karussell. Auf mein harmlos-ehrliches „Nein“ setzt die Gefährtin nämlich nach: Ich hätte aber doch sicher nichts dagegen, wenn sie ein paar Zentimeter größer wäre. Darauf gibt es zwei Antworten, und beide sind falsch. Auf „Ja“ folgt automatisch: „Du findest mich also zu klein?“, auf „Nein“ muß ich mich einem weiteren kniffligen Gedankenkonstrukt stellen: „Du willst also, daß ich so klein bleibe?“ Der verzweifelte Hinweis, daß es mir vollkommen gleichgültig sei, welche Ausmaße sie habe, ist zugegebenermaßen alles andere als geeignet, dem bohrenden Wissensdrang der Gefährtin einen Riegel vorzuschieben. „Weißt du eigentlich, daß ich genauso groß bin wie Napoleon?“ wird mir daraufhin kühl entgegengehalten. Das wisse ich sehr wohl, entfährt es mir nicht ohne eine gewisse Gereiztheit, das hörte ich schließlich nicht zum ersten Mal. Und mit „Ach, ich langweile dich wohl?“ beginnt eine weitere Runde im heiteren Gefährtenquälen. Unlängst allerdings entfuhr der Gefährtin eine Frage, auf die ich mir eine längere Bedenkzeit ausbat. „Was hat eigentlich Verona Feldbusch, was ich nicht habe?“ wollte die Frau, mit der ich lebe, von mir wissen. Darüber denke ich in der Tat immer noch nach.