The same procedure as every year

■ Das neue Theaterförderprojekt des Senats, das Kultursenator Radunski als „kulturpolitischen Erfolg“ abfeiert, ist eine Mogelpackung

Neuerdings kann sich Kultursenator Peter Radunski als Freund und Förderer der freien Szene fühlen. Denn 1999 greift im Kulturhaushalt das erste Mal die Umverteilung der Mittel aus den bisherigen Privattheatern an freie Gruppen, die als Teil der Koalitionsvereinbarungen ein lange anvisiertes und knapp erreichtes Ziel war. Für das Tanztheater von Sasha Waltz & Guests haben sich die Fördermittel verdreifacht, für das Theater 89 und die Neuköllner Oper verdoppelt. Vier Jahre lang greift diese Konzeptförderung.

Doch was in der Pressemitteilung Radunskis als „großer kulturpolitischer Erfolg für den Nachwuchs in unserer Stadt“ gefeiert wird, ist auch eine Mogelpackung. „Eigentlich hat sich skandalös wenig geändert“, ärgert sich Zebu Kluth, der als Leiter des Theaters am Halleschen Ufer die miserablen Produktionsbedingungen vieler Gruppen zu spüren bekommt.

Denn ein langjähriger Kritikpunkt am Theaterförderkonzept war die mangelnde Planungssicherheit für Off-Theater, die Projektmittel beantragen. Sie haben bisher noch keinen Bescheid für ihre Anträge für 1999 erhalten. Denn die Jury, die über Projekte, die zweijährige Basis- und Spielstättenförderung entscheidet, weiß erst jetzt, wie voll ihr Topf ist. Als Restgeldvergeber waren sie monatelang in ihren Entscheidungen gelähmt, weil der Beschluß über das Theaterförderungskonzept immer wieder verschoben wurde.

Das lange Zögern der Politiker hatte einen Grund: Unbehagen an dem Gutachten über die Privattheater und mangelnde Transparenz der Kriterien, nach denen die Berliner Kammerspiele und die Tribüne nicht länger institutionell gefördert werden sollten. „Das sieht so aus“, kritisierte Alice Ströver von Bündnis 90/Die Grünen im Kulturausschuß, „als ob die Theater der CDU-Klientel in den entsprechenden Stadtteilen erhalten bleiben sollten“. Doch zu einem alternativen Modell kam es nicht, und so wurde die Entscheidung den Haushaltspolitikern im Hauptausschuß zugeschoben. Nur die Kammerspiele fallen jetzt ganz aus der Förderung heraus.

An der Situation für freie Projekte und Off-Theater, mit Ausnahme der drei genannten Gruppen, hat sich wenig geändert. Ein Forderungskatalog, der von Zebu Kluth, Jochen Sandig, dem Leiter der Sophiensäle, und Alfred Brus von der Tanzinitiative Berlin im Sommer 1997 als Grundlage für die Diskussion über Strukturveränderungen eingebracht wurde, blieb unbeachtet. Nach wie vor fehlen zum Beispiel gute Probenräume für den Tanz. Nach wie vor ist absehbar, daß Projektmittel allein nicht ausreichen, um jemanden aufzubauen. In der mittelfristigen Basisförderung, die mindestens notwendig ist, um Koproduzenten und Sponsoren zu werben, haben Newcomer in Berlin nur eine geringe Chance.

So kommt es immer wieder dazu, daß Künstler, die mit einem geförderten Projekt Erfolg hatten, keinen finanziellen Nachschub erhalten. In einer Hinsicht hat sich die Situation sogar verschärft: Weggebrochen ist vielfach die Projektförderung durch die Kulturämter der Bezirke. Zudem kann das soziale Umfeld der Off-Kultur schon lange nicht mehr mit der Solidarität eines alternativ gestimmten Publikums rechnen. Mit dieser Veränderung des Marktes für Kultur außerhalb der Institutionen aber hat nicht nur die Kulturpolitik ihre Probleme; auch die Produzenten und Lobbyisten tun sich mit konkreten Modellen schwer. Katrin Bettina Müller