"Wir wollen den Status quo ändern"

■ Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) gesteht ein, daß die Arbeitslosigkeit bei anhaltend schlechter Wirtschaftslage hoch bleibt. Er setzt daher auf beschleunigten Strukturwandel. Eine Erhöhung der

taz: Das Wirtschaftswachstum falle geringer aus als erwartet, erklärte gerade SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Eigentlich sind solche Prognosen Ihre Sache. Was sagen Sie dazu, daß Frau Fugmann in Ihrem Revier wildert?

Wolfgang Branoner: Sie hatte wohl nicht die neuesten Informationen. Ich selbst habe schon vor einigen Tagen deutlich gemacht, daß man die Prognose nach unten korrigieren muß.

Nach Einschätzung des Forschungsinstitutes Prognos wächst die Wirtschaft auch in den nächsten 20 Jahren durchschnittlich nur um 1,5 Prozent – zu wenig, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Ist die Berliner Wirtschaftspolitik insgesamt gescheitert?

Wenn die Prognose zutrifft, bleibt die Erwerbslosigkeit hoch. Doch Prognos hat eine Entwicklung vorhergesagt, die auf dem Status quo basiert. Den wollen wir aber ändern. Wir arbeiten daran, den Strukturwandel zu beschleunigen und viele neue Unternehmen anzusiedeln. Prognos weiß genausowenig wie wir, ob diese Strategie aufgeht. Die Chancen liegen unter anderem in den gesundheitssichernden Diensten, Wissensverwaltung und -vermittlung und produktionsfördernden Dienstleistungen.

Bislang ist kein Erfolg in Sicht. Zeigt nicht die Prognose, daß die Wirtschaftspolitik die neun Jahre seit der Wende verplempert hat?

Nein, wir haben einige Voraussetzungen geschaffen. Und den Strukturwandel können wir nicht verhindern, sondern müssen ihn beschleunigen. Wir haben an einigen Stellen ein deutlich größeres Plus, etwa im Dienstleistungsbereich.

Auch das gleicht die Jobs nicht aus, die weggebrochen sind.

Teilweise schon. Im Augenblick allerdings kann der Zuwachs der Dienstleistungen das Loch, das andere Bereiche wie zum Beispiel die Bauwirtschaft reißen, nicht kompensieren.

Angesichts der miesen Aussichten verlangt die Finanzsenatorin nun eine bessere Kooperation zwischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Wo sehen Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit?

Zum Beispiel mit einer aktiven Grundstückspolitik.

Genau das will Fugmann-Heesing mit dem Liegenschaftsfonds erreichen, den Sie meist kritisieren.

Die Konstruktion und auch die möglichen Einnahmen des Liegenschaftsfonds reichen nicht aus. Dieses Instrument muß man verbessern. Aber auch die beste Grundstückspolitik bringt nicht viel, wenn die Steuern und Abgaben zu hoch sind. Die britische Luftfahrtgesellschaft Britannia haben wir zum Beispiel zunächst nach Berlin geholt, doch dann ist sie nach Brandenburg gegangen. Dort beträgt der Gewerbesteuersatz nämlich nur 270 Prozent, nicht 390 wie in Berlin. Hier erwarte ich, daß die Finanzsenatorin an einer gemeinsamen Strategie arbeitet und nicht nur auf die Einnahmeseite schielt.

Sie sind dagegen, die Gewerbesteuer 1999 anzuheben?

Man sollte auf die Anhebung auf 410 Prozent verzichten.

Auch zwischen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gibt es bislang wenig Berührungspunkte. Was halten Sie von einem großen Kombilohnprogramm, wie es SPD-Arbeitssenatorin Schöttler vorschlägt?

Als Modellprojekt zum Austesten der möglichen Wirkung könnte man das durchaus mal in einer Branche ausprobieren, etwa im Handwerk und bei der Beschäftigung im privaten Bereich.

Würden Sie dafür Geld zur Verfügung stellen?

Da gibt es Arbeitsfördermittel.

Sollte es eine Offensive des Senats in Richtung Arbeitszeitverkürzung und Teilzeit geben?

Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen sind absolut nötig. Interview: Hannes Koch