Harte Hand gegen das „Chaos“

Ungleiches Duell bei den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am Sonntag: Populistischer Ex-Putschistenführer Chavez gegen langweiligen Ökonomen Römer  ■ Aus Caracas Ingo Malcher

Seine Garderobe bestimmt Hugo Chavez je nach Anlaß. Für ausländische Journalisten und Investoren zwängt sich der Ex-General in einen Anzug mit roter Krawatte. Bei Ausflügen in Armenviertel der Hauptstadt Caracas trägt er aber lieber seine olivgrüne Uniform mit dem roten Armeekäppi. Hier haut er dann so richtig auf den Putz, schimpft auf den Weltmarkt und die etablierten Politiker mit ihren Devisenkonten.

Sein Diskurs und seine chamäleonartigen Wandlungen kommen bestens an: Hugo Chavez hat beste Chancen, am Sonntag die Präsidentschaftswahlen in Venezuela zu gewinnen. In den Umfragen liegt er bei 45 Prozent – trotz oder gerade wegen seiner Vergangenheit. 1992 führte Chavez einen Putschversuch gegen die zivile Regierung, seine Soldaten besetzten mehrere Teile der Hauptstadt, und der Sturm auf den Präsidentenpalast scheiterte nur in letzter Minute, als Präsident Andres Perez durch einen unterirdischen Tunnel entkam. Ein Gericht verurteilte Chavez danach zu 30 Jahren Gefängnis, aber im März 1994 wurde er vom neuen Präsidenten Rafael Caldera begnadigt. Jetzt könnte Chavez Caldera beerben.

„Wir haben die Waffen nicht gegen die Demokratie erhoben, sondern gegen die Tyrannei“, sagt Chavez heute. Er habe bewiesen, daß er die Dinge anpackt – wenn nötig, ein wenig fester. Das ist es, was für viele Bürger eines Landes zählt, in dem trotz Milliardeneinnahmen aus dem Ölexport 80 Prozent der Bevölkerung als arm gelten. Weil der Ölpreis auf dem derzeit auf dem niedrigsten Stand seit Jahren ist, hat Venezuela sich radikal dem Weltmarkt öffnen müssen und lebt in Angst, seine Währung abwerten zu müssen. Durch Caracas kurven jetzt die Symbole verflossenen Reichtums: Weil Dollars knapp sind, haben viele Angehörige der Oberschicht ihre breiten US-amerikanischen Schlitten aus den Zeiten des Ölbooms wieder flott gemacht. Das Teuerste an denen sind die Radios, die von antiquarischem Wert sind. Ansonsten rosten die Kisten überall und schlucken 20 Liter Super auf 50 Kilometer.

Das neoliberale Modell ist für Chavez neben dem „Krebs der Korruption“ das Hauptübel des Landes. „Die derzeitige Marktöffnung ist Teil einer Politik, die Reichtum und Macht vereint“, sagt er. Was er selber will, weiß er auch nicht, aber es sollte „weder Kommunismus noch zerstörender Neoliberalismus“ sein.

Im Wahlkampf raunzt Chavez am liebsten herum. „Wir leben in einem totalen Chaos“, brüllt er. Dann jubeln seine Anhänger und wedeln mit den Fahnen seiner Partei „Patriotischer Pool“. Wenn Chavez sich warmredet, verspricht er, „mit harter Hand“ aufzuräumen, denn „die staatlichen Institutionen sind hier komplett zusammengebrochen“. Daher will er eine Verfassunggebende Versammlung einberufen, die das Parlament auflösen kann.

Wurde Chavez bisher von den etablierten Politikern nicht so richtig ernst genommen, herrscht spätestens seit den Parlamentswahlen Anfang November Alarmstimmung. Der Patriotische Pool errang 37 Prozent der Parlamentssitze und acht der 23 Gouverneursposten. Die beiden etablierten Parteien, die sozialdemokratische Demokratische Allianz (AD) und die christdemokratische Copei, rufen jetzt zur Wahl des Christsozialen Salas Römer auf, der in den Umfragen an zweiter Stelle steht.

Henrique Salas Römer verkauft sich gerne als einziger seriöser Präsidentschaftskandidat. Wenn er sich lobt oder seinen Zuhörern etwas Kompliziertes erklärt, streichelt er mit beiden Händen das vor ihm aufgebaute Rednerpult, sieht verlegen zu Boden und glättet die Haare, bevor er den Kopf wieder hebt. Obwohl er eher ein Langweiler ist, kommt er bei der Jugend gut an.

Salas Römer hat nicht ohne Erfolg als Gouverneur im Bundesstaat Carabobo regiert. Er schaffte es, den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Als er sich kurz vor seiner Wiederwahl mit seiner Partei Copei verkrachte, schaffte er es, als Unabhängiger die Wahl zu gewinnen. Heute bietet er Venezuela technische Lösungen an, denn, so sagt er, „der Ökonom ist für die Gesellschaft das, was der Arzt für den Körper ist“. Ein Technokrat zu sein weist er allerdings von sich, denn ein Technokrat kümmere sich nur um die Regierung, während er sich auch um die Gesellschaft kümmere.

Damit es wichtiger klingt, gibt der Yale-Absolvent manchen seiner Programmpunkte englische Namen, die er mit starkem Akzent sagt, um sich dann gleich zu entschuldigen, daß für kurze Sätze Englisch besser geeignet sei als Spanisch. Einer dieser Programmpunkte heißt „Feel Good“ und beinhaltet, daß die Städte sauber sein sollen, so daß man sich darin wohlfühlen kann. Römer verspricht eine Verwaltungsreform, eine Verkleinerung des Staatsapparates und die Förderung des Tourismus, „weil Tourismus Geld bringt und sauber ist“.

Hugo Chavez hat erwartungsgemäß sauer darauf reagiert, daß die anderen Parteien sich gegen ihn verbünden. „Ich sage es mit den Worten von Jesus von Nazareth: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Nach Meinung Römers weiß Chavez das allerdings auch nicht: Chavez werde „keine drei Monate im Präsidentenamt durchhalten“.