Ökolumne
: Global anbandeln

■ Fusionswelle signalisiert vor allem eines: den Phantasiemangel der Chefs

Mehrere Billionen Mark werden in diesem Jahr bei Firmenkäufen und –ehen umgesetzt. Wie vor 180 Jahren auf dem Wiener Kongreß die Walzertänzer scheinen sich heutzutage die Wirtschaftsmächtigen weltweit immer enger in die Arme zu sinken. Und wie weiland bei Fürst Metternich und Konsorten drängt sich auch heute der Eindruck auf, daß die Firmenherrscher manchmal das Alte bewahren wollen, weil ihnen nichts Neues einfällt.

Die Paarungsgründe sind je nach Branche zugegebenermaßen sehr unterschiedlich. Die Pharmabranche setzt auf die noch unerprobten Methoden der Gentechnik für die Entwicklung neuer Medikamente und Agrarchemikalien. Das ist teuer und birgt große Risiken, die auf möglichst viele Schultern verteilt werden sollen. Die Ölbranche reagiert auf den niedrigsten Ölpreis seit 20 Jahren und stagnierenden Verbrauch. Das läßt die Gewinnmargen schrumpfen. Die Rüstungsbauer folgen dem Ende des Kalten Krieges und den damit einhergehenden Umstrukturierungen der Armeen in den USA und Europa. Die Banken wiederum schwimmen im Geld und haben sich auf Einkaufstour begeben, weil sie auch irgendwie an der Globalisierung teilhaben wollen.

Warum aber rollt die Fusionswelle gerade jetzt über die Industrieländer hinweg? Es wird Geld gespart in den neuen Großfirmen, heißt es. Durch gemeinsamen Einkauf können Zulieferer im Preis gedrückt werden, nur noch ein leitendes Managment statt zwei stünde auf den Gehaltslisten. Doch all die Spar-Argumente wären seit Jahrzehnten gültig – daß sich diese Hoffnungen darüber hinaus meist nicht erfüllen, sieht man an den Konzernen, die eine geringere Rendite haben als vor der Fusion. Zu guter Letzt wird also wieder die Globalisierung als Grund herhalten müssen. Eine Weltwirtschaft, in der es zu bestehen gilt und so weiter. Mit diesem Argument hätten mittelgroße Global-player wie Krupp und Thyssen allerdings schon spätestens zur letzten Jahrhundertwende fusionieren müssen und nicht erst in diesem Jahr. Denn schon damals war die Konkurrenz aus USA oder anderswo stark.

Daß die Fusionen derzeit so hochschwappen, hat einen Grund im überwundenen Ende des Kalten Krieges. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mußten die Claims neu abgesteckt werden. Da zählte wie bei der Wiedervereinigung in Deutschland die schnelle Expansion mehr als die absolute Maximierung des Gewinns. Nun sind die Reviere in den ehemals von der Sowjetunion beherrschten Gebieten der Welt besetzt oder als unrentabel verworfen. Es ist wieder Zeit, intern nach Kosteneinsparungen und Wachstumsbereichen zu suchen. Vorstände, die dabei nicht fündig werden, halten nach einer Fusion Ausschau – die Firmenehe quasi als Mittel zur Überwindung der mangelnden Kreativität.

Was neu ist an den zahlreichen Übernahmen der letzen Zeit: Viel mehr Fusionsangebote als früher werden auch verwirklicht. Die Übernommenen wehren sich nicht mehr wie noch in den 80er Jahren mit allen Mitteln. Der Grund für die scheinbare Laschheit der Geschluckten: Die Gewinner sind fast immer die Verkäufer, selten die Käufer. Wenn eine kleinere Firma aufgekauft wird, wird den Aktionären in der Regel ein Preis für ihre Anteilsscheine geboten, der ein Viertel oder gar ein Drittel über dem Marktpreis liegt. Ein Großaktionär wie der Schweizer Bankenzampano Martin Ebner verdiente allein in den letzten Jahren dreistellige Millionenbeträge an von ihm mitbetriebenen Fusionen wie zum Bankenriesen UBS und den Verkauf der Alusuisse an den bayrischen Viag-Konzern. Und die Vorstände des Juniorpartners werden entweder die Chefs des neuen Großkonzerns oder aufgrund ihrer Aktienoptionen an der alten Firma mit einem wahrhaft goldenen Handschlag in den Aufsichtsrat verabschiedet. Wer wollte da noch den Aufstand proben?

Das Problem dabei ist nur, daß von einer Fusion allein weder das obere noch das mittlere Management besser wird. Das könnte die Sorge der Aktionäre bleiben, die um eine gewünschte exorbitante Verzinsung ihres Kapitals fürchten müssen. Doch nach wie vor müssen die Angestellten demotivierende Dauerumstrukturierungen ausbaden und unflätige Chefs. Für junge, schräge oder einfach nur fleißige Köpfe wäre viel gewonnen, wenn die Bosse und Großaktionäre ihre Energie statt in eine Großfusion mit Massenentlassungen in einen Umschwung auf der Ebene der kleinen Abteilungsdiktatoren stecken würden. Das brächte mehr Kreativität und damit auch Profit als der größte Merger. Wenn denn schon den Gewinn maximieren, dann angenehm. Würde doch gut zum pragmatischen Zeitgeist passen.