Frauen bei Hofe

■ Während sich die Länderchefs trafen, wurden ihre Gattinnen aufs „Begleitprogramm“ geschickt. Beobachtungen von einem Damenausflug

Potsdam (taz) – „Ich führe ein sehr eigenständiges Leben.“ Die Pastorin Renate Höppner hebt gerade an, einem Reporter zu erklären, wie sie trotz ihrer Rolle als Ehefrau des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt auf eigenen Beinen steht, da prescht ein Protokollbeamter dazwischen. „So, jetzt ist aber Schluß!“

Man muß vor Augen haben, wie überkorrekt sich Protokollbeamte gegenüber einem Ministerpräsidenten verhalten, um so recht zu erfassen, was da gerade einer Ministerpräsidentengattin widerfährt. Unvorstellbar, daß ein Beamter einem Regierungschef ins Wort fällt. Ministerpräsidenten sind Respektspersonen. Doch dies ist nur das Damenprogramm.

Für die Länderchefs ist die Jahreskonferenz mit ihren Amtskollegen ein Höhepunkt der Machtentfaltung – hier machen sie Politik nicht nur für ihr Bundesland. Das zweitägige Programm in Potsdam ist geteilt: Die Herren (und Frau Simonis aus Schleswig-Holstein) erörtern zum Beispiel das „Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik“. Die Damen (ohne Herrn Simonis) trinken solange Tee im Marmorpalais in Potsdams historischem Neuem Garten. Selbst in der Politik sind die Momente selten geworden, in denen Frauen so eindeutig auf eine Rolle als Begleiterin festgelegt sind, wie sie auch schon die Bezeichnung „Begleitprogramm“ verrät. Vielleicht fallen gerade darum die kleinen Unterschiede besonders deutlich auf.

Zeigt sich während der Konferenz ein Länderchef wie Reinhard Höppner in der Öffentlichkeit, dann umschwirren ihn diverse dienstbare Geister vom Bodyguard bis zum Aktentaschenträger, sorgsam bemüht, nur ja keinen Wimpernschlag zu tun, der nicht seine Billigung fände. Wie die Bienen auf die Königin sind sie auf ihren Dienstherrn ausgerichtet. Das Verhältnis der Beamten zu den Frauen ähnelt hingegen mehr dem von Hirtenhunden zur Schafherde – und gehorcht dem Arbeitsprinzip: umkreisen, zusammenhalten, weiterscheuchen.

„Da ist keine zickig oder aufgedreht“, meint – durchaus anerkennend – einer der Aufpasser, nachdem der Reisetroß die Führung durchs Marmorpalais hinter sich gebracht hat. Unter den Damen sei „keine Grüppchenbildung“ zu beobachten gewesen. Daß Edeltraud Teufel aus Baden-Württemberg sich vorzeitig mit zwei anderen First Ladys in den Museumsshop verabschiedet hat, fällt erst auf, als die drei mit großen Taschen zurückkehren. In den Augen eines Hirtenhunds sieht offenbar ein Schäflein grad wie das andere aus.

Frau Teufel und ihre Shopping- Gefährtinnen treffen mit Verspätung zum angekündigten Höhepunkt des Programms ein: Tee in feinem Porzellan und Wolfgang Joop in ebensolchem Zwirn. Der Modemacher, der in Potsdam wohnt, will im Marmorpalais den Frauen eine Auswahl seiner Zeichnungen vorführen. Renate Höppners Interesse gilt den Antiquitäten. „Ich wünsche mir, daß das auch unsere Urenkel noch sehen können. Ob die dann Herrn Joop noch kennen...“, Renate Höppner grinst, hält inne, sucht nach einer Formulierung, die ihrer Rolle als Ministerpräsidentengattin angemessen ist, „...das wird die Geschichte erweisen.“

Manches überdauert den Zahn der Zeit wider Erwarten ganz gut, wie der Damenbesuch in dem Schlößchen aus dem 18. Jahrhundert zeigt. Nicht nur sind die „kostbaren Raumausstattungen des Frühklassizismus“, von denen der Katalog spricht, bestens erhalten. Auch das Verhältnis von Höflingen zu den unbegleiteten Frauen ihrer Herrscher scheint sich nur langsam zu wandeln.

Das Schicksal der Hofbeamten ist immerhin ein leichteres geworden: Im chinesischen Kaiserpalast war derart ungeschützter Umgang bekanntlich nur Eunuchen gestattet. Patrik Schwarz