Rußlands Überraschungscoup

■ Holocaust-Konferenz: Moskau übergibt Dokumente zur Raubkunst

Washington (taz) – Neben dem Russen Waleri Kulischow sieht der stellvertretende US-Außenminister Stuart Eizenstat noch hagerer aus. Die beiden bilden auf dem Podium ein höchst ungleiches Paar, versichern aber aus einem Mund, dies sei kein Geck. Die Konferenz über Holocaustvermögen war zu Ende, da traten beide vor die Mikros, um eine Sensation zu verkünden. Schon am ersten Tag der Konferenz hatte die russische Delegation zugesagt, Raubkunst zurückzugeben und die Archive zu öffnen. Eizenstat hatte das als ersten Durchbruch bezeichnet.

Nun wollten die Russen den Worten Taten folgen lassen. Kulischow überreichte Eizenstat drei Dokumente: einen Katalog von Kunstgegenständen, die österreichischen Juden gestohlen und im Reich verteilt worden waren, einen Katalog gestohlener Münzen, die in das berüchtigte Linzer numismatische Kabinett verbracht worden waren, und einen Brief des Kulturreferenten des niederschlesischen Gauleiters an den Direktor des Dresdner Zwingers, Dr. Posse, in dem es um die Schlackenwerter Handschrift geht: „Da die Gefahr bestand, daß der Jude Gutmann die Handschrift ins Ausland verschachern könne, wurde sie 1938 beschlagnahmt und in der Wiener Nationalbibliothek sichergestellt.“

Die Russen machen mit ihrem Versprechen Ernst. Aber hätte es nicht ein Dokument sein können, das über den Verbleib von Kunstwerken in Rußland Auskunft gibt? Die Österreicher waren auf der Konferenz gelobt worden, weil sie sich um die Rückgabe gestohlener Kunst bemüht und ein Gesetz verabschiedet hatten, das Kunstraub als Kriegsverbrechen behandelt. Wie ernst es Moskau hingegen mit der Öffnung der Archive ist, bleibt abzuwarten. Was Kunstwerke betrifft, die rechtmäßiger deutscher Besitz sind, verwies der deutsche Delegierte darauf, daß es Abmachungen zwischen Deutschland und Rußland zu deren Rückgabe gebe. Peter Tautfest